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Wenn du lügst

Wenn du lügst

Titel: Wenn du lügst
Autoren: Anna Salter
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angeordnet werden, aus der man Sie erst entlassen wird, wenn als gewährleistet gilt, dass keine Rückfallgefahr mehr besteht. Sollten Sie die Kriterien nicht erfüllen, werden Sie nach Verbüßung Ihrer Haftstrafe entlassen.«
    Ich betete den ganzen Sermon herunter, obwohl ich wusste, dass er sich mit den Gesetzen vermutlich besser auskannte als ich. Sechzehn Staaten verfügten mittlerweile über Gesetze, denen zufolge jeder Sexualstraftäter am Ende seiner Haftstrafe beurteilt werden musste. Wurde er als potenzieller Wiederholungstäter eingestuft, drohte ihm anstelle von Freilassung die Sicherungsverwahrung. In diesem Fall würde man ihn zu Behandlungszwecken in eine andere gesicherte Einrichtung verlegen. Dort würde er bleiben, bis die Therapie das Risiko eines Rückfalls verringert hätte - was auch niemals eintreten konnte. Dieser Aspekt machte die Täter nervös. Die meisten nahmen sich bereits Anwälte, noch bevor ich überhaupt mit meiner Untersuchung begann.
    »Ich bin weder für noch gegen Sie. Ich bin eine außenstehende, unabhängige Gutachterin. Sie können dieser Befragung zustimmen oder nicht. Falls Sie zustimmen, steht es Ihnen frei, die Beantwortung jeder beliebigen Frage abzulehnen. Außerdem dürfen Sie mir Fragen zu dem Verfahren stellen. Falls Sie nicht zustimmen, werde ich trotzdem ein Gutachten verfassen, welches sich dann auf Ihre Akten stützt. In diesem Fall werde ich Ihre Verweigerung in meinem Bericht erwähnen, ohne sie jedoch zu deuten. Menschen lehnen eine solche Befragung aus verschiedensten Gründen ab, und ich bin mir darüber
im Klaren, dass eine Weigerung keinen Hinweis darauf darstellt, ob der Betreffende mehr oder weniger wahrscheinlich eine Wiederholungstat begehen wird.«
    Collins hatte sich zurückgelehnt und beobachtete mich, während ich sprach. Sein Gesicht war ernst, und die Hände lagen entspannt in seinem Schoß. Ich holte Luft und sprach weiter: »Diese Befragung ist nicht vertraulich. Alles, was Sie sagen, kann in meinen Bericht einfließen, der anschließend an das Gericht weitergeleitet wird. Meine Notizen werden beiden Anwälten zugänglich sein. Hier ist eine Einverständniserklärung, auf der das alles zusammengefasst ist und die Sie unterschreiben müssen, bevor ich fortfahre. Haben Sie irgendwelche Fragen?«
    »Ja, Eine Frage hätte ich. Meinen Sie, wir könnten diese Unterredung unter vier Augen führen, ohne den Wachmann? Er kann natürlich gleich draußen vor der Tür warten. Die Sache ist die, dass ich über meine Kindheit reden werde, über Dinge, die mir widerfahren sind. Das Ganze wird vielleicht bei Gericht landen, aber deshalb muss es nicht jeder im Gefängnis wissen.«
    Ich starrte ihn ungläubig an, dann richtete ich den Blick auf den Beamten, der noch immer mit vor der Brust verschränkten Armen an der Wand lehnte. Er sah mich unverwandt an, zweifellos wartete er darauf, wie ich reagieren würde. Eine Gefängnismitarbeiterin hatte teuer dafür bezahlt, mit Collins allein in einem Raum geblieben zu sein. Wie konnte er überhaupt darum bitten?
    »Ich habe die Akten gelesen«, sagte ich.
    »Das ist lange her.«
    »Ich wiederhole: Ich habe die Akten gelesen.«

    »Hören Sie, ich war damals außer Kontrolle, wahnsinnig. Das war, bevor ich zu Gott gefunden habe. Ich bin heute ein anderer Mensch. Sie können fragen, wen Sie wollen. Ich habe seit fünf Jahren keinen einzigen negativen Aktenvermerk bekommen. Ich habe einfach das Gefühl, dass ich viel offener reden kann, wenn niemand sonst zuhört.«
    Ich griff in meine Aktentasche, kramte einen Moment darin herum, dann zog ich einige Papiere hervor und legte sie vor mich hin. »Mr Collins«, sagte ich. »Lassen Sie uns das zusammen durchgehen, nur um sicherzustellen, dass wir von derselben Sache sprechen. Vor zehn Jahren hat Ihre Therapeutin Sie aus der Gruppentherapie genommen. Sie hatte den Eindruck, dass Sie die Behandlung nicht ernst nähmen und gleichzeitig andere Gruppenmitglieder bedrohten und kontrollierten. Sie baten um ein abschließendes Gespräch. Es hätte ein Wachmann mit im Raum sein müssen - schließlich hatten Sie auch sie zuvor bedroht -, aber irgendwie konnten Sie sie überreden, darauf zu verzichten. Sie haben die Tür verbarrikadiert und sie über Stunden wiederholt vergewaltigt. Sie drohten den Beamten, dass Sie, falls sie Gas benutzten oder die Tür einschlügen, die Frau töten würden. Sie vergewaltigten sie, bis Sie genug davon hatten, dann öffneten Sie die Tür. Es überrascht
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