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Wenn Die Wahrheit Stirbt

Titel: Wenn Die Wahrheit Stirbt
Autoren: Deborah Crombie , Andreas Jäger
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dem Anblick in Tränen ausgebrochen. »Wo ist Mamis Küche?«, hatte sie gejammert, und er hatte nicht gewusst, wie er sie trösten sollte.
    Irgendwann hatte sie sich natürlich daran gewöhnt, so wie sie sich an die neue Alltagsroutine gewöhnt hatte, aber er hatte immer noch das Gefühl, dass er sich sehr viel Mühe geben musste. Holly wurde in ein paar Wochen sechs, und er hatte mit seiner ganzen Überredungskunst dafür plädiert, sie hier bei sich in die Grundschule gehen zu lassen. Doch Hazel hatte schneller kapituliert, als er gedacht hatte, und nun begann er sich zu fragen, ob er überhaupt mit der Situation klarkommen würde.
    »Wo ist Mami?«, fragte Holly wohl zum hundertsten Mal an diesem Nachmittag. Sie saß am Küchentisch und schlug mit den Fersen gegen die Sprossen ihres Stuhls. Er hatte ihr eine Limo gegeben, die sie bei Hazel nicht bekam, aber ihre Laune hatte sich damit nur weiter verschlechtert.
    »Das hab ich dir doch gesagt, Mäuschen. Sie macht sich einen schönen Tag mit Tante Gemma. Mädchen unter sich.«
    »Ich will mitgehen. Ich bin auch ein Mädchen«, erwiderte Holly mit unangreifbarer Logik.
    »Diesmal geht das nicht. Das ist nur was für große Mädchen.«
    »Das ist ungerecht!«
    »Ja, da hast du wohl recht.« Tim seufzte. »Wir könnten uns Käsetoast machen«, schlug er vor.

    »Ich will keinen Käsetoast. Ich will mit Toby spielen.« Hollys hübscher Mund, der so sehr dem ihrer Mutter glich, verzog sich zu einer finsteren Miene, die einem Kobold gut angestanden hätte.
    »Da können wir sicher etwas machen.«
    Gemma und Duncan hatten sich sehr bemüht, die Verbindung nicht abreißen zu lassen, und sie hatten Tim oft zu privaten Anlässen eingeladen. Das war sehr anständig von ihnen, aber ihm war sehr wohl bewusst, dass sie es auch aus Mitleid taten, und das war ihm unangenehm. Es gab nur noch wenige Gemeinsamkeiten in ihrem Leben, und es kostete ihn große Anstrengung, sich zusammenzunehmen und zwanglos über Hazel zu plaudern. Dennoch, es war einer der wenigen Fixpunkte in seinem Leben, die ihm geblieben waren, und er wollte ungern darauf verzichten.
    »Na«, sagte er zu Holly, »jetzt haben wir aber lange genug den armen Stuhl getreten.« Warum, fragte sich Tim, als er sich selbst reden hörte, sprechen Erwachsene eigentlich mit Kindern immer im Plural? Schließlich war nicht er es, der gegen den blöden Stuhl trat.Vielleicht stand ja dahinter die Hoffnung, dass die Wir-Form überzeugender wirkte, aber das funktionierte offensichtlich nicht.
    Holly trat weiter gegen die Stuhlsprossen. Er ignorierte es. »Wir könnten in den Park gehen, wenn Charlotte kommt.«
    »Ich will nich’ mit Charlotte spielen«, sagte Holly, und Tim hörte den schottischen Akzent heraus, der immer wieder mal durchbrach, seit Holly wieder in London war. Er fand es zugleich rührend und ärgerlich, aber eigentlich wollte er nur, dass seine Tochter sich wieder wie sie selbst anhörte. »Charlotte ist ein Baby«, setzte sie verächtlich hinzu.
    »Und du bist ein großes Mädchen, und deshalb kannst du ganz toll auf sie aufpassen, während ich mit ihrem Papa rede.«
    Der Appell an die kleine Tyrannin in ihr schien Holly zu besänftigen,
und ihre Züge entspannten sich. »Können wir trotzdem noch in den Park gehen?«
    Tim sah auf die Küchenuhr. Naz und Charlotte hätten schon vor einer Stunde hier sein sollen, und eine solche Verspätung sah Naz gar nicht ähnlich. »Müssen wir sehen, Mäuschen«, sagte er zu Holly. Er versuchte es auf Naz’ Handy, doch der Anruf ging direkt auf die Mailbox.
    Normalerweise empfing er samstags keine Klienten, und schon gar nicht, wenn Holly bei ihm war. Aber Naz, eigentlich Nasir Malik, war ein alter Freund - sie kannten sich noch von der Uni -, und angesichts seiner besonderen Situation hatte Tim sich bereiterklärt, seinen Terminplan an den seines Freundes anzupassen. Er hatte sich vorgestellt, dass sie sich im Garten unterhalten könnten, während die Mädchen spielten.
    Und es hatte sich sehr dringend angehört, als Naz am Morgen angerufen hatte; er hatte fast verzweifelt geklungen. Wieso sollte sein Freund, der sonst geradezu zwanghaft pünktlich war, erst behaupten, er müsse unbedingt mit Tim sprechen, und dann zur vereinbarten Zeit nicht auftauchen?
    »Komm, wir machen schon mal den Käsetoast«, schlug Tim vor. »Charlotte will bestimmt einen, wenn sie kommt.« Nervös fügte er hinzu: »Oder weißt du was? - Wir machen richtige Welsh Rarebits, wie Mami sie immer
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