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Wenn die Wahrheit nicht ruht

Wenn die Wahrheit nicht ruht

Titel: Wenn die Wahrheit nicht ruht
Autoren: Anja Berger
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Balkon aus im Befehlston im ganzen Haus umher, damit die Unmengen an Gepäck dort ihren Platz fanden, wo sie ihrer Meinung nach hingehörten. Marc beschwerte sich nicht. Im Gegenteil. Selbst noch zu erschrocken darüber, dass er beinahe seine geliebte Leonie verloren hätte, kam ihm die k örperliche Arbeit gerade recht.
     
    Nachdem alles verstaut war, entschied sich die kleine Familie für einen kle inen Spaziergang durch das Dorf. Dabei liess Marc es sich nicht nehmen, einen ahnungslosen Passanten zu bitten, ein Erinnerungsfoto von der ganzen Familie mit der Hannigalpbahn im Hintergrund zu schiessen. Dann machten sie sich auf, die nötigsten Lebensmittel für die Woche einzukaufen und eine anständige Käsemischung für ihr Fondue auszusuchen. Denn obwohl Verena stets darauf bedacht war, gut auszusehen , und obwohl ihre langen roten Fingernägel nicht für die Hausarbeit geeignet schienen, war sie eine wahrlich meisterhafte Köchin. Dies war auch der Grund gewesen, weshalb Marc sich vor so langer Zeit in sie verliebt hatte.
     
    D amals verbrachte er seine Ferien oft auf dem Bauernhof seines Onkels. Diese Zeit war für ihn immer die schönste gewesen, weshalb er diese Ausflüge zu einer Art Tradition werden liess, die er bis weit über die Pubertät hinaus aufrecht erhielt. Eines Abends, als er beim Abendbrot sass, erhielt er ein Essen aufgetischt, an dessen Geschmack er sich bis zum heutigen Tag erinner te. Der Kartoffelstock war der c remigste, das Fleisch das feinste, die Möhren die saftigsten und die Sauce die würzigste, die er jemals gegessen hatte. Aus Begeisterung über die Gaumenfreude tat er lauthals Kunde darüber, dass er s ofort diejenige zu sehen wünsche , die dieses begnadete Essen zubereitet hat te , damit er ihr umgehend einen Heiratsantrag machen könne. Bei diesem Ausruf begannen die Augen seines Onkels derart zu glänzen, dass Marc Angst bekam , d enn positive Gefühlsregungen lagen nicht unbedingt in der Natur seines Onkels.
    „Junge“, hatte er gesagt, „ich nehme dich beim Wort.“
    Erst jetzt dämmerte Marc, dass er sich etwas zu weit aus dem Fenster gelehnt hatte. Es war ihm bekannt, dass seine Familie schon lang e darauf aus war, ihn schnellst möglich zu verheiraten, da sie um seine Freiheitsliebe wusste und sich deshalb sorgt e , er würde niemals ein gutes solides, sesshaftes Leben mit einer anständigen Frau an seiner Seite führen. Aber g enau dies war für seine Familie das A und O.
    Hingegen zweifelte er trotz seiner wagemutigen Aussage daran, dass sein Onkel wirklich ernsthaft die altbekannte dicke Köchin mit ihm vermählen wollte. Abgesehen davon, dass sie bereits einen Ehemann hatte. Zu spät kam ihm in den Sinn, dass die altbewährte Köchin niemals etwas dergleichen Schmackhaftes aus ihren Töpfen zauberte, wie es vor ihm auf dem Teller lag. Kaum hatte er den Gedanken zu Ende gebracht, rief sein Onkel aus vollem Hals nach dem kochlöffelschwingenden Wesen. Marc wollte bereits die Flucht ergreifen, da öffnete sich auch schon die Tür zum Esszimmer und ein zierliches, etwas scheues Mädchen mit Stupsnase trat ein. Die Haare hatte sie zu einem langen blonden Zopf geflochten, der auf ihrer rechten Schulter ruhte. Dieser Anblick hatte ihm schlicht den Atem geraubt. Die Flucht war ebenso vergessen wie die Reue über seine Aussage. Leider war das Mädchen nicht so scheu, wie sie sich damals gab. Sie entpuppte sich als zickiges, launisches Weibsbild, das nur schwer zufriedenzustellen war, aber wusste, wann es besser war, den Mund zu halten. Davon liess sich Marc allerdings nicht im Geringsten abschrecken. Er wollte sie. Und nach langem, hartnäckigem Umgarnen bekam er sie am Ende auch.
    „…das Brot kleiner schneiden.“
    Marc musste mehrmals blinzeln, bis das dunkle Holz des Esszimmers seines Onkels verblasste und die plastifizierte Küchenzeile seiner derzeitigen Umgebung wieder deutliche Formen annahm. „Entschuldige. Was hast du gesagt?“
    „Das Brot. Die Stücke sind zu gross! Du versaust alles.“
    Ein Blick in die grosse Glasschüssel verri e t Marc, dass er die Schellte zu R echt kassierte. Er hätte genauso gut den gesamten Brotlaib in die Schüssel legen und den Käse darübergiessen können. „Ich war in Gedanken. Tut mir leid.“
    „Ja, ja. Mach es jetzt einfach gründlich. In Ordnung?“
    Reumütig sammelte Marc das Brot wieder aus der Schüssel und begann, es in mundgerechte Stücke zu zerschneiden.
    „Leonie?“ Der Ruf hallte durch die ganze Wohnung, so
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