Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn die Wahrheit nicht ruht

Wenn die Wahrheit nicht ruht

Titel: Wenn die Wahrheit nicht ruht
Autoren: Anja Berger
Vom Netzwerk:
traf. Im ersten Augenblick wirkte das Licht wie der Weg in den Himmel. Dann besann er sich auf seine Sünden. Also musste es die Hölle sein. Wie zur Bestätigung schoss ihm ein entsetzlicher Schmerz durch den Schädel. So muss sich eine Melone fühlen, die geteilt wird, dachte er sich.
    Noch einmal überwand er sich, die Augen zu öffnen. Sehen konnte er immer noch nichts, denn das Licht strahlte ihm nach wie vor direkt in die Augen, aber die Benebelung seiner restlichen Sinne liess langsam nach. Eine kurze Bestandesaufnahme seiner Körperteile zeigte ihm, dass zwar alles noch dran zu sein schien, aber die Arme unnatürlich auf den Rücken verrenkt waren und die Beine sich nicht bewegen liessen . Ambros überlegte, weshalb das so war, kam aber zu keinem annehmbaren Resultat, denn seine Gedanken wurden von einer tiefen Stimme unterbrochen. Angestrengt in das Licht blinzelnd , versuchte er etwas zu erkennen, aber ohne Erfolg .
    „Wie es scheint, hast du dein Schläfchen beendet.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, sprach die Stimme weiter. „Du brauchst dir keine Mühe zu geben, dich loszureissen, du kommst hier erst weg, wenn ich dafür sorge. Und das werde ich nur tun, wenn du mir ein paar Antworten gibst. Du siehst also, es hängt alleine von dir ab, wie lange du noch in dieser unbequemen Position verharren musst.“
    Ambros spürte auf einmal, wie ihn etwas an der nackten Haut oberhalb seines Schuhs kitzelte. Erschrocken wollte er schreien, aber er konnte nicht. Der Mund war ihm zugeklebt. Die Gestalt schnaubte belustigt. „ Hatte ich nicht erwähnt, dass es hier einige charmante Untermieter gibt? Oh, das tut mir leid. Aber sorge dich nicht. W enn du mir sagst, was ich wissen will , werden die Nagerchen keine Zeit haben, dich anzuknabbern. Also, kommen wir zur Sache.“
    Ambros hatte nicht bemerkt, dass noch jemand hinter ihm stand, bis plötzlich eine Hand vorschnellte und in einer sauberen Bewegung das Klebeband von seinem Mund riss. Genauso schnell, wie diese Hand gekommen war, war sie auch wieder verschwunden. „Wo bin ich hier? Wer sind Sie? Was wollen Sie?“
    Anstelle einer Antwort bekam er einen Schlag auf den Hinterkopf. Den Schmerzenslaut unterdrückend, liess Ambros die angehaltene Luft zischend entweichen. Angestrengt versuchte er mit zusammengekniffenen Augen zu erkennen, was hinter dem Licht war. Er konnte die schemenhaften Umrisse einer Person ausmachen, aber auch die sah er nur verschwommen.
    „Nicht so voreil ig, ich stelle hier die Fragen.“ Die Person machte eine kurze Pause. Für Ambros wirkte sie quälend lange. „Seit wann klaust du schon Geld aus der Tageskasse der Hannigalpbahn?“
    „Was?“ Prompt wurde er wieder geschlagen. Ambros jaulte auf vor Schmerz.
    „Du hast mich verstanden. Wage es nicht noch einmal zu lügen, es könnte schmerzhaft werden.“
    Langsam brach in Ambros die Verzweiflung aus . Ein dicker Klo s s sammelte sich in seinem Hals. Er hätte sofort losheulen können. „Woher…?“ Er brach ab. „U ng efähr ein halbes Jahr nachdem die neue Station eröffnete, habe ich das erste Mal Geld aus der Kasse genommen.“
    „Ist das so?“
    Es folgte e in Schlag an die Schläfe.
    „Verkauf mich nicht für blöd. Ich habe die Zahlen gesehen. Das Verhältnis zwischen der Menge an Personen , den Belegen für die verkauften Tickets und den schlussendlich ausgewiesenen Zahlen stimmten genau genommen keine zwei Wochen überein. Die fehlenden Beträge waren aber unauffällig genug, um es zwei Jahre lang verheimlichen zu können . Das war clever.“
    Eine Faust traf die andere Schläfe .
    „Wie viel hast du denn in dieser Zeit angesammelt?“
    „Das weiss ich nicht!“
    Wieder ein Schlag. Es fühlte sich wie ein Ellbogen in den Nacken an.
    „Wie viel!“
    „Das hing ganz vom Tagesgeschäft ab!“
    „Du hast das Geld gehortet, also wirst du wohl wissen, wie viel es ist!“
    „Aber ich habe das Geld doch überhaupt nicht!“
    Die Person schwieg einen Augenblick, der Ambros ewig vorkam . Damit hatte die Person wohl nicht gerechnet.
    „Ach nein? Hast du es nicht oder hast du es nicht mehr?“
    „Ich habe es nicht.“
    „Wer hat es dann?“
    Jetzt kamen die Tränen doch noch. Wie ein Baby sass Ambros da und heulte.
    „Halt die Klappe!“ Die Gestalt verlor die Geduld. Aber Ambros konnte sich nicht erholen. Mit einem kaum wahrnehmbaren Zeichen gab die Gestalt der Person im Hintergrund einen Befehl. Das typische Klacken eines Feuerzeugs war zu vernehmen, dann folgte eine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher