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Wenn Die Seele Verletzt Ist

Wenn Die Seele Verletzt Ist

Titel: Wenn Die Seele Verletzt Ist
Autoren: Christiane Sautter
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Vertriebenen anderer ehemalig deutscher Gebiete dokumentiert. Die Übergriffe der Roten Armee auf die Zivilbevölkerung, besonders auf die Frauen, werden genannt. Den Angriff der Alliierten auf Dresden bezeichnet man heute als Kriegsverbrechen. So beginnt Deutschland endlich mit der längst fälligen emotionalen Aufarbeitung seines Kriegstraumas.
    Wie wir aus unseren Kursen immer wieder erfahren, wurden die Menschen in der DDR durch das kommunistische Gewaltsystem weiterhin traumatisiert. Joachim Gauck nennt diese Erfahrung eine „perpetuierte Ohnmachtserfahrung“. Das Motto der Menschen in der ehemaligen DDR sei von 1933 bis 1989 gewesen: „Beuge das Haupt, höre auf deine Angst, widersprich nicht und gehorche. Und dann wird es dir gutgehen!“ Gewalt, die Menschen angetan wird, Gewalt, durch die sie sich ohnmächtig fühlen, entlädtsich häufig wieder in Gewalt gegen Menschen, die noch schwächer, noch ohnmächtiger sind. Vielleicht ist hierdurch die Häufung der gewalttätigen Übergriffe auf Ausländer durch ostdeutsche Jugendliche zu erklären.
    Die Folgen einer kollektiven Traumatisierung erleben wir täglich in den Nachrichten aus Israel, Palästina, dem Irak und dem Sudan. Wieder einmal hat sich erwiesen, daß Gewalt keine Lösung ist, denn nach seiner vermeintlichen Befreiung hat sich der Irak zu einem Tummelplatz islamistischer Terroristen entwickelt. Terroristen rekrutieren ihre Mitglieder vor allem in den Gebieten der Erde, in der Menschen keine Chance auf ein würdiges Dasein haben. Wenn die westliche Welt weiterhin politischen Führern vertraut, die wesentlich mehr Geld für Kriege ausgeben als für die Beseitigung menschenunwürdiger Lebensumstände, wird die gesamte Menschheit für die Folgen aufkommen müssen. Das Thema „Trauma“ und seine Heilung erscheint uns deshalb von vordringlicher Wichtigkeit zu sein, nicht nur aus therapeutischer, sondern auch aus gesellschaftlich politischer Sicht
    Doch das Thema hat noch einen weiteren wichtigen Aspekt: Viele Menschen glauben, daß wir nur durch Leiden lernen. Eine Operation scheint dieser Überzeugung nach erst dann wirklich hilfreich zu sein, wenn sie ohne Narkose ausgeführt wird und möglichst furchtbar schmerzt. Krieg und Folter ist demnach für die Mehrheit der gläubigen US-Amerikaner das geeignete Mittel, die Anhänger der „Achse des Bösen“ endlich auf den rechten Weg der christlichen Werte zu führen. Je mehr Menschen traumatisiert werden, um so mehr werden sich der schützenden Umarmung Amerikas anvertrauen, gemäß der Anweisung aus dem Buch Sirach „Wer seinen Sohn liebt, hält den Stock für ihn bereit, damit er später Freude erleben kann“ (Buch Sirach 30, 1-2).
    Die Lerntheorie beweist das Gegenteil: Positive Verstärkung durch Wertschätzung bewirkt viel schnellere und bessere Lernerfolge als Abwertung und Bestrafung. Körperliche und seelische Schmerzen verursachen dagegen Verkrampfung, Abspaltung und Abwehr. Einen besonderen Nutzen von erlittenen Traumata habe ich nie finden können. Den Verfechtern der Karmalehre, nach der jeder erntet, was er verursacht hat, möchte ich zu bedenken geben, daß es jedem Menschen kraft seines freien Willens möglichwäre, erlittenes Unrecht nicht mit der gleichen Münze heimzuzahlen, sondern, wie Jesus empfiehlt, die Feinde zu lieben und für die zu beten, die uns verfolgen (Matt. 5, 44).
    In der Bergpredigt, der zentralen Botschaft des Christentums, sagt Jesus: „Selig, die keine Gewalt anwenden, denn sie werden das Land erben... Selig die Barmherzigen, denn sie werden Erbarmen finden... Selig, die Frieden stiften, denn sie werden Söhne Gottes genannt werden“ (Matt. 5, 5-9). In diesem Sinne sehe ich unsere Aufgabe, Menschen liebevoll bei der Heilung ihrer seelischen Wunden zu unterstützen, als einen spirituellen Auftrag, als die praktische Umsetzung der christlichen Botschaft. Jeder, der sich dieser Aufgabe verschreibt, wird darüber hinaus seinen Beitrag für den Weltfrieden leisten, denn jeder Mensch, der sein Trauma geheilt hat, ist ein friedliebender Mensch, der zutiefst erfahren hat, daß Gewalt, Abwertung und Mißhandlung keine Zukunft haben.
     
     
    Literaturliste
     
    Bass, Davis, Trotz allem, Wege der Selbstheilung für sexuell mißbrauchte Frauen, Orlanda Frauenverlag, Berlin, 2001
    Bateson, Gregory, Ökologie des Geistes, Suhrkamp Taschenbuch 571, Frankfurt, 1996
    Dilthey, Nohl, Die Philosophie des Lebens, Klostermann Verlag, Frankfurt a. Main, 1946
    Dörner, Plog, Irren
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