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Wenn Die Seele Verletzt Ist

Wenn Die Seele Verletzt Ist

Titel: Wenn Die Seele Verletzt Ist
Autoren: Christiane Sautter
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Symptome haben oder Verhaltensweisen entwickeln, die sie gerne los wären. Wenn sie sich ratsuchend an Experten wenden, erfahren sie meist, daß ihre Schwierigkeiten durch persönliche Defizite oder einen schwachen, unselbstständigen Charakter verursacht werden. Ich kenne schwer traumatisierte Menschen, die von Ärzten und Therapeuten wegen ihrer Symptome sogar ausgeschimpftund verurteilt werden. „Sie wollen ja gar nicht gesund werden!“ und „Sie sind selbst schuld daß es Ihnen so geht!“, sind dabei Standardformulierungen. Traumata verursachen ganz spezifische Symptome, ganz gleich, ob das Trauma durch Krieg, Naturkatastrophen, Terrorismus, Unfälle oder durch Gewalt oder Vernachlässigung in der Familie verursacht wurde. Diese Tatsache ist seit spätestens 1980, als die Traumafolgen unter dem Fachbegriff „Posttraumatisches Belastungssyndrom“ zusammengefaßt und in das Internationale Diagnosemanual ICD 10 aufgenommen wurden, bei Ärzten und Psychotherapeuten bekannt. Auch wenn Traumata nicht immer Symptome verursachen, prägen sie in jedem Falle das Verhalten der davon Betroffenen. Die jetzt fast dreitausend Klienten, die unsere Seminare und unsere Praxis besuchten, ermöglichten uns eine umfassende Erforschung der „Traumamechanik“, also all der Verhaltensmuster und Symptome, die durch eine Traumatisierung in der Familie oder im weiteren Umfeld der Betroffenen entstehen.
    Es geht mir hier bestimmt nicht darum, die Familie zum Sündenbock für die Schwierigkeiten ihrer Kinder zu erklären. Ich glaube immer noch, daß die Familie der beste Ort für Kinder sein kann, und in der Mehrzahl der Familien erhalten Kinder alles, was sie brauchen, um als Erwachsene ihr Leben selbst in die Hand nehmen zu können. Ein Buch über Trauma thematisiert jedoch nicht das, was in Familien wunderbar läuft, sondern richtet die Lupe auf jene Aspekte, die Kindern das Leben schwer machen.
    Obwohl wir in unseren Seminaren also häufig auf Menschen treffen, die auf Grund ihrer Symptomatik offensichtlich traumatisiert sein müssen, waren wir sehr überrascht, daß Klienten auch nach vielen Jahren Psychotherapie und deutlichen Traumasymptomen das Wort „Trauma“ zum ersten Mal bei uns hörten. Das erstaunte uns außerordentlich und die Rückmeldungen vieler Kollegen bestätigten, daß äußerst selten mit dieser Diagnose gearbeitet wird. Dabei ist das Wissen um Traumata seit 115 Jahren bekannt. Warum wird es so wenig berücksichtigt? Neben politischen und gesellschaftlichen Gründen scheint das Thema bei vielen Therapeuten offenbar eigene noch nicht bearbeitete Ängste auszulösen. So berichtete eine Klientin, daß ihr Therapeut die Sitzung beim bloßen Verdacht auf eine Traumatisierungabrupt abgebrochen und sich geweigert habe, die Arbeit mit ihr fortzusetzen.
    Durch die Seminararbeit lernten wir, daß bereits Informationen zum Thema „Trauma“ und seiner Auswirkungen zu einer wirklichen Verbesserung im Leben der Menschen führte. Die bloße Zuordnung der Symptome und der nicht erwünschten Verhaltensweisen zu historisch nachweisbaren schrecklichen Erlebnissen bewirkte bei jedem der Betroffenen eine große Erleichterung, der die Erkenntnis folgte: Mit mir ist alles in Ordnung! Das, was mit mir geschehen ist, war schlecht für mich. Auf Grund dieser Erlebnisse habe ich Symptome und/oder Verhaltensmuster entwickelt, die ich heute gerne los wäre. Daran will ich arbeiten! Deshalb soll dieses Buch gründlich über die Ursachen und die Auswirkungen von Traumata informieren. Den systemischen Wegen zur Linderung oder Heilung ist ein eigenes Buch gewidmet. Das Thema „Doublebinds“, das ich für eines der wichtigsten halte, wenn man mit traumatisierten Menschen arbeitet, habe ich ebenfalls ausgeklammert, weil es den Rahmen sprengen würde. Auch dieses Thema wird in einem eigenen Buch behandelt.
    Die meisten Menschen meinen, ein Trauma dadurch aufarbeiten zu können, daß sie sich an das Geschehene erinnern und diese Erinnerung einmal oder mehrmals durchleben und dadurch abarbeiten. Je öfter man sich mit dem Trauma konfrontiert, um so mehr soll es seine destruktive Wirkung einbüßen, so wie ein Horrorfilm, der, wenn man ihn sich immer wieder anschaut, immer weniger aufregt und sogar langweilig werden kann. Dieser Meinung waren jahrzehntelang auch viele Experten. Doch inzwischen sind sich diejenigen, die mit traumatisierten Menschen arbeiten, darin einig, daß dieser Aspekt zwar wichtig, jedoch keinesfalls ausschlaggebend für
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