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Wenn Die Seele Verletzt Ist

Wenn Die Seele Verletzt Ist

Titel: Wenn Die Seele Verletzt Ist
Autoren: Christiane Sautter
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Hoge. Er ist Militärarzt und Mitautor der neuen Studie, die die traumatischen Auswirkungen des Irakkriegs auf die US-Soldaten untersucht hat.
    O-Ton:
    „Diejenigen Soldaten, die am meisten unter psychischen Störungen leiden, wollen sich nicht behandeln lassen. Sie haben Angst, stigmatisiert zu werden.“
    Text:
    Hoge und seine Mitarbeiter haben insgesamt 6000 Soldaten beobachtet und befragt, jeweils vor und drei bis vier Monate nach ihrem Truppeneinsatz im Irak und in Afghanistan. Das Ergebnis: 17% der Männer, die im Irakkrieg waren, leiden unter Depressionen und Ängsten, bei den Männern, die in Afghanistan waren, liegt die Zahl bei 11%. In der Studie werden zum ersten Mal Soldaten so zeitnah an ihrem Einsatz untersucht. In der Vergangenheit wurden die Männer zum Teil erst Jahre später befragt. Nach einem solch langen Zeitraum können die posttraumatischen Symptome erstens noch verstärkt auftreten und zweitens sind sie dann schwieriger zu behandeln, so Experten.
    Dennoch: Als Soldat zu erkennen und zuzugeben, daß man ein Problem hat, ist nach wie vor die größte Hürde, bevor man sich in eine Einzel- oder Gruppentherapie begibt. Soldat Philipp Goodrum, der wie Pogany kürzlich aus dem Irak zurückgekehrt ist, hat sich erst einer Therapie unterzogen, als es mit den Alpträumen, schlaflosen Nächten und Panikattacken einfach nicht mehr auszuhalten war. Jetzt ist er nach eigenen Worten wieder hergestellt, allerdings auf Kosten seiner Karriere.
    O-Ton:
    „Daß ich hingegangen bin und gesagt habe, ich brauche Hilfe, das hat natürlich negative Auswirkungen auf meine Karriere gehabt. Ich habe 15 Jahre gedient, das verletzt und enttäuscht natürlich.“
    Text:
    Verletzung und Enttäuschung bleiben auch bei Pogany zurück. Und die Erkenntnis, daß die Nation eine Lektion zu lernen hat:
    O-Ton:
    „Das, was gelernt werden muß, ist, daß es hier so etwas wie unsichtbare Kosten gibt. Aber das Wichtigste ist, daß Traumata, sei es nach einem Kampf oder in anderen Lebensbereichen, behandelt werden müssen als geistige Verletzungen. Und eine geistige Verletzung muß genauso wie eine Verletzung am Bein behandelt werden.“
    Claudia Plass in Bayern 5 aktuell, Hörfunk, 2. Juli 2004, 12.20 Uhr
    (Text vom Sender)
     
    Die USA gelten als führend in der Erforschung von Traumata und in der Traumatherapie. Und so scheint der US-amerikanische Psychiater Bessel van der Kolk, der international als einer der wichtigsten Traumaforscher gilt, Recht zu haben, wenn er in seinem Buch „Traumatic Streß“, das heute schon als Standardwerk gilt, schreibt, daß die Psychiatrie „periodisch an ausgesprochenen Amnesien litt, wobei gut fundierte Kenntnisse abrupt vergessen und die psychologischen Auswirkungen überwältigender Erfahrungen ausschließlich konstitutionellen oder intrapsychischen Faktoren zugeschrieben wurde“ (v.d. Kolk S. 71). Doch wer hätte gedacht, daß heute ausgerechnet in den USA die traumatisierende Wirkung eines Krieges geleugnet wird! Mit der Diagnose Trauma scheinen Therapeuten ihre Schwierigkeiten zu haben. Besonders auffällig ist das verbreitete Nichtwissen über dieses Phänomen in Deutschland. Wurde in den USA bereits nach dem Zweiten Weltkrieg geforscht, vor allem aber in den siebziger Jahren nach dem Vietnamkrieg, lenkten deutsche Psychologen, Psychiater und Psychotherapeuten ihr Augenmerk erst Mitte bis Ende der achtziger Jahre auf dieses Thema. Doch auch heute noch ist es eher selten, daß sich Psychotherapeuten in der Traumasymptomatik auskennen, und viel zu wenig Patienten, die unter den Spätfolgen eines Traumas leiden, erhalten die Diagnose „Posttraumatisches Belastungssyndrom“. Vielleicht läßt sich die Frage nach dem Grund der deutschen Amnesie klären, wenn wir uns mit der Geschichte der Traumaforschung in der Psychiatrie befassen.
    Immer ging es in der Psychologie um die Frage, warum sich Menschen „anders“ verhalten, als es der gesellschaftlich akzeptierten Norm entspricht. Natürlich rückten bei der Erforschung der Ursachen von psychischen Symptomen die schockartigen Erlebnisse in den Vordergrund. Doch ist es wirklich so, daß schlimme Erlebnisse ausreichen, um einen Menschen dauerhaft zu schädigen, oder leidet er deshalb an quälenden Symptomen, weil er schon vorher psychisch labil oder körperlich kränklich war? Entwickelt der Mensch nicht deshalb Symptome, um damit Aufmerksamkeit zu erregen oder um sich vor unliebsamen Aufgaben wie dem Dienst an der Front oder dem Erwerbsleben
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