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Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition)

Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition)

Titel: Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition)
Autoren: Marita R. Naumann
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mich die Böschung hinunter. Ich rollte über das verdorrte Gras, das mit Schneematsch und Hundekot vermischt war. Ich bekam keine Luft mehr. Ich hatte das Gefühl, jemand stünde auf meinem Brustkorb. Außerdem hatte ich Angst, dass die genähte Wunde aufgeplatzt sein könnte. Als ich aufblickte, sah ich Mati am Rande des Abhangs. Seine Hände schlossen sich krampfhaft um den Griff des Kinderwagens. Er schaute auf mich herab und sagte:
    „Mach, dass du nach Hause kommst! Ich nehme David mit, und wenn wir nachher zurück sind, will ich, dass du verschwindest, und wenn ich dich persönlich rausschmeißen muss. Du hast dein Kind heute zum letzten Mal gesehen! David bekommt eine neue Mama!“
    Dann kehrte er mir den Rücken zu und schob den Kinderwagen gemächlich in Richtung der Pizzeria, als wäre nichts geschehen.
    Hatte ich mich früher schon hilflos gefühlt, war das nichts gegen die Panik, die mich jetzt ergriff. Das Gefühl der Ohnmacht, das man empfindet, wenn einem das eigene Kind, das man über alles liebt, förmlich aus den Armen gerissen wird, wünsche ich meinem ärgsten Feind nicht.
    Ich hatte Todesangst und war doch wie in Trance. Die Einzigen, die mir jetzt helfen konnten, waren meine Freundinnen, zu denen ich immr noch Kontrakt hatte. Als Dorle und Stefanie bei uns eintrafen, war Mati sanft wie ein Lamm. Meine Freundinnen waren die Letzten, denen gegenüber er sein wahres Gesicht gezeigt hätte. Also war ich jedes Mal froh und erleichtert, wenn Stefanie oder Marita auf einen Kaffee vorbeischauten. Auch nach Davids Geburt war Stefanie meine tägliche treue Begleiterin. Sie kam jeden Morgen vorbei, ehe sie zur Arbeit ging, damit ich Gelegenheit zum Duschen hatte. Zwar gab Mati oft mürrische Kommentare von sich, wenn sie da war, doch in ihrer Gegenwart fühlte ich mich sicherer.
    Der Frühling verging, und langsam wurde es etwas wärmer. Zum Stillen war ich nicht mehr in der Lage, weil all die bösen Worte und die unheilvolle Stimmung in der Wohnung dazu geführt hatten, dass die Milch versiegt war. Stattdessen litt ich jetzt unter schlimmen Migräneanfällen, die tagelang andauern konnten. Dann lag ich mit David in einem dunklen Raum, bis ich mich irgendwann übergeben musste. Danach ließen die Schmerzen für gewöhnlich nach.
    Mati betrieb sein Krafttraining jetzt wieder mit großer Intensität. Im Kühlschrank befanden sich zahlreiche Glasbehälter mit Steroiden, die er sich mit seinen Kumpeln gegenseitig spritzte. Aus unserem Büro war eine Spielhölle geworden, in der sich die Trainingsgorillas zu treffen pflegten. Dort nahmen sie ihre Amphetamine und spielten anschließend Karten, bis die Droge ihre Wirkung tat.
    Dadurch konnten sie ihre Trainingsbelastung steigern, aber mich ging das nichts an.
    Ich sollte mich um meine eigenen Angelegenheiten kümmern und die Schnauze halten. Mit all den Steroiden und Amphetaminen im Blut hatte Mati ständig Lust auf Sex. Ich dagegen hatte Blutungen. Heute weiß ich, dass sie vom psychischen Druck verursacht wurden, unter dem ich damals stand. Doch für ihn spielte es keine Rolle, dass ich immerzu müde und erschöpft war und Migräne hatte. Er war wie ein unersättliches Ungeheuer. In einer Tour bekam ich zu hören, wie unfähig und nutzlos ich sei, und musste ihm doch jederzeit zur Verfügung stehen. Mein einziger Trost bestand darin, dass er ein Gegenmittel für die Amphetamine nahm, um den Puls zu senken und Schlaf zu finden. Also dankte ich Gott dafür, dass sie Haschisch rauchten und Rohypnol schluckten, um einigermaßen zur Ruhe zu kommen, das verschaffte auch mir einige ruhige Nächte.
    Der Sommer kam, und Mati und ich führten zwei vollkommen unterschiedliche Leben. Er war unterwegs und ging seinen Geschäften nach, trainierte im Fitnesscenter oder saß auf dem Balkon und beschäftigte sich mit seinem Handy. Ich war daheim, kümmerte mich um den Haushalt und bereitete das Essen zu. Ordentlich und traditionell sollte es sein, Fastfood kam bei mir nicht auf den Tisch. Einmal hatte ich den ganzen Vormittag über Pfannkuchen gebacken, die dann durch den Raum sausten wie fliegende Untertas sen. Pfannkuchen seien kein richtiges Essen, sondern eine Nachspeise!
    Es war ein schöner Junitag, und ich erinnere mich daran, dass strahlender Sonnenschein herrschte. Wir waren zu einer Geburtstagsparty eingeladen und hatten gemeinsam mit Freunden eine riesige Festtafel aufgebaut. Ich hatte einen großen Salat mitgebracht. Die Stimmung war fröhlich und ausgelassen.
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