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Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition)

Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition)

Titel: Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition)
Autoren: Marita R. Naumann
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erinnern, dass mein Schädel dröhnte, als wollte er zerspringen.
    Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war mir schwindelig, und als ich in den Spiegel schaute, begann ich zu weinen. Meine pochende Stirn war angeschwollen und bläulich verfärbt.
    Die Tage vergingen, und Mati hatte ein schlechtes Gewissen. Ich schwieg beharrlich. Wenn ich nun, gute zehn Jahre später, versuche, diese furchtbaren Erlebnisse in Worte zu fassen, und abwechselnd schniefe und heule, dann wird mir bewusst, dass es das erste Mal ist, dass ich alles in allen Einzelheiten noch einmal durchlebe. Zwar habe ich eine Therapie gemacht und in der Gruppe mit anderen Frauen gesprochen, die Ähnliches erlebt haben, doch im Grunde habe ich bloß versucht, die Vergangenheit abzuschütteln. Ich wollte das alles einfach vergessen, doch auf einmal blicke ich aus der Vogelperspektive auf mein eigenes Leben hinab. Das ist ein seltsames Gefühl. Am liebsten würde ich in die Vergangenheit zurückkehren und mich selbst aus meiner damaligen Hölle befreien. Wie ist es nur möglich, dass ich mich so von ihm behandeln ließ? Ich schließe die Augen und versuche mir vorzustellen, wie ich damals empfunden habe. Wenn man so lange Zeit gequält und terrorisiert wurde wie ich, wird man zu einer Art Zombie und kann nicht mehr klar denken. Wenn man oft genug gehört hat, wie unfähig und nutzlos man ist, dann gibt man sich am Ende selbst die Schuld an allem. Schließlich ist man überzeugt davon, nichts wert zu sein, und ist sogar dankbar dafür, dass sich überhaupt jemand mit einem abgibt.

    Fünftes Kapitel

    Eines Tages kam Mati mit der Ansage, dass wir nach Deutschland ziehen würden. Er hätte einen Club in München gefunden, der ihn trainieren würde.
    München! Früher war es mal mein Traum gewesen, in einer großen Stadt zu leben, aber jetzt wollte ich da nicht mehr hin. Ich überlegte. Am besten war es, wenn ich in die Nähe meiner Mutter ziehen würde. Aber ich wusste nicht, wie ich Mati dazu bewegen konnte, mit mir auf ein Dorf zu ziehen.
    Ich rief meine Mutter an und erzählte ihr, dass Mati einen Club in München gefunden habe, der ihn fördern wollte.
    Zu meinem Erstaunen freute sich Mama sehr und sie sagte, sie werde sich umsehen. Vielleicht finde sie ein kleines Haus ganz in ihrer Nähe, das man mieten konnte.
    Es klappte schneller, als ich dachte. Mama hatte ein nettes Haus für uns gefunden. Es war nicht allzu groß und lag nur wenige Meter von einem kleinen See entfernt. Der Besitzer hielt sich schon jahrelang in den Staaten auf und suchte nun einen neuen Mieter für sein Haus, da sein ehemaliger Vermieter mit seiner Frau in den Süden gezogen war.
    Mati und ich sahen uns das Haus an. Es gefiel ihm und stimmte dem Mietvertrag zu. Mich wunderte, dass er so freundlich war an diesem Tag, aber später erfuhr ich den Grund. Der Boxclub hatte einen Zweijahresvertrag mit ihm abgeschlossen.
    Wir bereiteten unseren Umzug aus Österreich vor, aber wenn ich geahnt hätte, was mich dort am See erwartete, wäre ich nie mit ihm mitgezogen. Vielleicht hätte ich mich auch von ihm getrennt, ich weiß es nicht. Wahrscheinlich war ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht so weit.
    Die ersten Monate verliefen ruhig in dem neuen Haus. Mati war sehr oft in München und kam meistens spät nach Hause. Ich hatte mich mit David im Gästezimmer, was im ersten Stock lag, eingerichtet. Mati hatte ich gesagt, dann störe ich ihn nicht, wenn ich Nachts nach dem Kleinen sehen muss. Komischerweise war er mit dem Vorschlag einverstanden.
    Mati schlief im Erdgeschoss, wo sich Wohnzimmer, Küche, Bad und Schlafzimmer befanden.
    Mati wurde zusehends paranoider und konnte von einem auf den anderen Moment gewalttätige Ausbrüche haben. Manchmal, wenn er auf dem Sofa saß, formte er seine Hand zu einer Pistole, die er mehrere Minuten lang auf mich richtete, ehe er „Peng!“ sagte.
    Dann lachte er laut und sagte, dass er sich doch nicht die Hände mit dem Blut einer Nutte besudeln würde. Nein, er würde jemand beauftragen, mich zu töten, während er selbst mit David spielte. Ich fürchtete tatsächlich um mein Leben. Die Wutanfälle, die er früher ungefähr jeden zweiten Monat gehabt hatte, ereigneten sich immer öfter. Wenn es besonders schlimm war, rief ich meine Nachbarin oder deren Schwester an, um ihnen eine verschlüsselte Botschaft zukommen zu lassen. Beide Schwestern waren um die sechzig und kamen ursprünglich aus Dänemark. Aber sie lebten schon seit zwanzig Jahren in dem
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