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Wenn die Nacht dich kuesst...

Wenn die Nacht dich kuesst...

Titel: Wenn die Nacht dich kuesst...
Autoren: Teresa Medeiros
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gleiten. Den verblassten Popelinestoff hatte erst sie getragen, dann Vivienne und schließlich Portia. Das gerüschte Oberteil spannte sich über Portias vollem Busen, und der ausgefranste Saum schleifte auf dem abgestoßenen Leder ihrer Stiefel. »Fehlen dir eigentlich nicht manchmal die überflüssigen Kleinigkeiten, die du und Vivienne so geliebt habt, als Mama und Papa noch am Leben waren? Die Wasserfarben, das Klavierspielen, die Seidenbänder und die Perlenkämme für dein schönes Haar?«
    »Ich denke, es ist mir nicht schwer gefallen, darauf zu verzichten, solange wir drei nur zusammenbleiben konnten.« Portia lehnte ihren Kopf gegen Carolines Schulter. »Aber ich habe bemerkt, dass deine Portionen beim Essen kleiner werden, während unsere gleich bleiben.«
    Caroline strich mit der Hand durch Portias weiche Locken. »Eines Tages wirst du eine umschwärmte junge Frau sein, Liebes. Doch wir wissen alle, dass Vivienne die Schönheit in unserer Familie ist, die am ehesten eine vorteilhafte Verbindung eingehen kann, die uns von Cousin Cecils Schikanen befreit und ihre sowie unsere Zukunft sichert. «
    Portia hob den Kopf und schaute zu ihr empor, mühsam zurückgehaltene Tränen glitzerten in ihren dichten dunklen Wimpern. »Aber begreifst du denn nicht, Caroline? Wenn Vivienne unter den Bann dieses Teufels fällt, dann hat sie vielleicht gar keine Zukunft. Wenn sie ihm ihr Herz schenkt, wird sie für uns auf ewig verloren sein! «
    Portia sah Caroline mit flehentlichem Blick an, und auch Caroline war nicht frei von Sorgen. Wenn es Vivienne gelang, einen Ehemann an Land zu ziehen, wäre es nur eine Frage der Zeit, ehe er unter seinen in Frage kommenden Freunden einen Mann für Portia fand. Vielleicht wäre er sogar großmütig genug, seine altjüngferliche Schwägerin einzuladen, bei ihnen zu wohnen. Aber wenn nicht, dann würde sie den Rest ihrer Tage in diesem zugigen Cottage verbringen, Cousin Cecils unzuverlässiger Barmherzigkeit ausgeliefert. Bei dem Gedanken daran rann ihr ein neuerlicher Schauer über den Rücken. Sie war alt genug, um zu wissen, dass es Männer gab, die noch entsetzlicher waren als Ungeheuer.
    Ehe sie versuchen konnte, ihre Sorgen zu beschwichtigen, kam Anna in den Salon geschlurft, das weißhaarige Haupt gesenkt. »Was ist?«, fragte Caroline die alte Dienerin und stand von der Ottomane auf.
    »Das hier ist gerade für Sie gekommen, Miss.«
    Caroline nahm aus Annas faltigen Händen den Brief entgegen, ohne zu fragen, von wem er kam. Die Augen der Alten hatten einen trüben Schimmer.
    Mit der Fingerspitze fuhr Caroline vorsichtig über das elfenbeinfarbene Büttenpapier, bewunderte die teure Prägung. Das zusammengefaltete Schreiben war mit einem einzelnen roten Wachsklecks versiegelt, der auf dem weißen Papier wie ein Tropfen frisches Blut schimmerte. Sie runzelte die Stirn. »Ich dachte, die Morgenpost sei schon durch?«
    »Das stimmt, Miss«, bestätigte Anna. »Ein privater Bote hat das hier gebracht. Ein strammer junger Bursche in scharlachroter Livree.«
    Als Caroline das Siegel brach und den Brief entfaltete, erhob sich Portia. »Was ist es? Ist er von Tante Marietta? Ist Vivienne krank geworden? Wird sie mit jedem Tag schwächer und schwächer?«
    Caroline schüttelte den Kopf. »Nein, nicht von unserer Tante. Der Brief ist von ihm .«
    Portia zog eine Augenbraue hoch, wartete, dass sie weiterredete.
    »Adrian Kane — Viscount Trevelyan.« Als Carolines Lippen den Namen zum ersten Mal formten, meinte sie, ein Schauer ginge durch ihre Seele.
    »Was will er von uns? Verlangt er eine Art Lösegeld für Viviennes Seele?«
    »Ach, um Himmels willen, Portia. Hör auf, so ein Gänschen zu sein. Es ist keine Lösegeldforderung«, erklärte sie, während sie die Nachricht überflog. »Es ist eine Einladung, nach London zu kommen und seine Bekanntschaft zu machen. Das sollte deine lächerlichen Befürchtungen beschwichtigen, nicht wahr? Wenn dieser Viscount andere als ehrenwerte Absichten mit Vivienne verfolgte, würde er sich doch nicht die Mühe machen, unseren Segen einzuholen, ehe er ihr den Hof macht, oder?«
    »Warum kommt er nicht her nach Edgeleaf und spricht bei uns vor, wie es ein anständiger junger Gentleman tun würde? 0 nein, warte. Ich hatte vergessen! Ein Vampir kann das Haus seines Opfers nicht betreten, es sei denn, er ist eingeladen.« Portia legte den Kopf schief und sah einen flüchtigen Augenblick älter und weiser als ihre siebzehn Jahre aus. »Wozu genau hat uns
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