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Wenn Die Nacht Anbricht

Titel: Wenn Die Nacht Anbricht
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Korb schwerer Wäsche oder Futter für die Tiere schleppte. Aber es gab einen Grund, warum die Schwarzen in dem einen Teil der Stadt und wir in dem anderen lebten. Sie waren anders als wir – innerlich und äußerlich. Und wir taten alle gut daran, das nicht zu vergessen.
    »So was tut man nicht«, erklärte ich Albert.
    »Warum tut man so was nicht?«
    Ich hätte ihn am liebsten an den Schultern gepackt und geschüttelt, so fest ich konnte – wie ich das bei Jack tat, wenn er nicht mehr zu bändigen war und Worte nicht ausreichten, um ihm zu zeigen, wie falsch er lag. Nach all dem, was wir mit Jack durchgemacht hatten, nach all den Überstunden, die Albert unter Tage geschuftet hatte, schienen die Dinge allmählich endlich wieder ins Lot zu kommen. Jacks Gips sollte bald abgenommen werden. Die Schatten unter Alberts Augen waren nicht mehr ganz so dunkel. Und selbst das Gerede über das tote Kind hatte sich gelegt. Wir brauchten keine weitere Aufregung.
    »Gütiger Himmel, Albert, man tut’s einfach nicht. Du weißt das genauso gut wie ich. Ja, Jonah ist ein netter Mann, und auch seine Frau scheint liebenswert zu sein. Aber es gibt keinen Grund, die Leute gegen uns aufzubringen und ihnen Grund zum Klatschen zu geben, nur weil du dir einbildest, du müsstest einen Schwarzen zum Abendessen einladen.«
    »Ich find einfach nur, dass wir ihn nicht anders behandeln sollten als andere.«
    »Dann bist du jetzt also dafür, dass sich die Rassen mischen?«
    »Nein, ich bin dafür, Jonah zum Abendessen einzuladen.«
    Ich hörte, wie das Wasser überkochte und auf dem heißen Metall zischte. Also wandte ich mich wieder dem Herd zu und nahm den Topf von der Gasflamme. Dann sah ich nach dem Maisbrot, das gerade braun zu werden begann. Albert stand zwischen mir und dem Glas mit den roten Beeten. Ich wollte sie in eine Schüssel tun, denn das sah auf dem Tisch hübscher aus.
    »Reich mir mal das Glas«, sagte ich und wies mit dem Kopf darauf.
    Er tat es, ohne den Blick von mir abzuwenden. »Woher willst du wissen, wer er ist, Leta-ree? Oder irgendeiner der Schwarzen? Hast du jemals mit ihnen geredet? Ich bin derjenige, der den ganzen Tag neben ihnen steht und mit ihnen arbeitet.«
    Manchmal, wenn ich nichts erwiderte, erlosch Alberts Eifer wie ein Feuer, das nicht genügend Luft bekam. Ich rührte in den Rüben, obwohl es nicht nötig war, und merkte, dass mir der Schweiß über den Hals lief. Eigentlich machte mir die Hitze des Herdes nichts aus. Sie war mir vertraut und kam so regelmäßig wie Frühstück, Mittagessen und Abendessen. Ich trat näher. Als mein Gesicht immer heißer wurde und ich ein wenig zu keuchen begann, gelang es mir beinahe, Albert zu vergessen.
    »Ich will den Mann nur zum Abendessen einladen, Leta. Muss das gleich was bedeuten?«
    »Ja, Albert. Das muss es. Und das weißt du auch.«
    »Ach, egal. Wie ich schon sagte: Er will sowieso nicht kommen.«
    Ich spürte, wie sich meine Schultern ein wenig entspannten.
    »Er meinte, dass er stattdessen auf einen Kaffee vorbeischaut.«
    Ich drehte mich nicht um, sondern wartete, bis ich hörte, wie er die Küche verließ. Er war mein Ehemann, und ich würde ihm nicht vorschreiben, wer in sein Haus kommen konnte und wer nicht. Doch zum ersten Mal, seitdem ich ihn kannte, wusste ich nicht, was ich zu ihm sagen sollte. Das lag nicht daran, dass ich nicht verstand, wie gern er Jonah mochte. Ich war nicht eine von denen, die Schwarze für keine Menschen hielten. Ich wusste, dass es Menschen waren. Aber es gab gewisse Regeln, wie die Dinge zu laufen hatten – Regeln, denen wir folgen mussten. Wenn man ihnen nicht folgte, wusste man nicht, was alles passieren konnte.
    Ich hatte nichts weiter über den Lastwagen gesagt, der Jack angefahren hatte, sondern hatte meinen Frieden mit Alberts Entschluss gemacht, die Firma nicht zu verklagen. Ich hatte ihm alles überlassen. Nach einer Weile war der Zorn verschwunden, während ich an die Decke gestarrt und zugehört hatte, wie Jack im Schlaf atmete. Ich hatte alles aus meinen Gedanken verbannt und mich ganz darauf konzentriert, dass die Dinge wieder so liefen wie zuvor. Nur Albert war nicht mehr wie vorher, obwohl er weiterhin alle Entscheidungen traf. Wir alle lagen in seiner Hand. Doch zum ersten Mal wurde mir bewusst, dass meine eigenen Hände nichts anderes tun konnten, als den Tisch zu decken und die Rüben zu schneiden.
     
    Tess
    »Mama, ich weiß jetzt, wer das Baby in den Brunnen geworfen hat.«
    »Wirklich?« Sie
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