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Wenn Die Nacht Anbricht

Titel: Wenn Die Nacht Anbricht
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Verfaulen geholfen.
    »Und was ist mit den anderen? Die sind doch auch noch da, Albert.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich hab mich geirrt, und ich weiß es, und ich will das richtigstellen.«
    »Die anderen sind aber doch auch noch da«, wiederholte er.
    »Das macht nichts. Die zählen jetzt nicht.«
    »Laden Sie noch andere Schwarze zum Abendessen ein? Schreiben Sie Briefe an den Gouverneur, und fordern Sie, dass wir in allen Restaurants essen dürfen?«
    Ich sah ihn nur an.
    »Sie sind ein guter Mann, Albert, aber die anderen werden immer da sein.«
    Ich hatte schon oft beobachtet, wie Leta mit den Kindern stritt, und dabei bemerkt, dass sie gewöhnlich weniger redete, als ich es tat. Ich versuchte, ihnen immer wieder zu erklären, warum sie sich falsch verhalten hatten, und wenn sie es nicht einsahen, erklärte ich es ihnen mit anderen Worten noch einmal. Leta hingegen wiederholte nur ihren Standpunkt, bis sie nachgaben. Wenn ich ehrlich war, wusste ich, dass diese Methode auch bei mir funktionierte.
    »Komm zum Abendessen«, sagte ich.
    »Nein, werd ich nicht. Aber vielen Dank für die Einladung.«
    »Komm zum Abendessen.«
    »Albert …«
    »Es wird keine Probleme geben.«
    »Vermutlich nicht. Vermutlich würde es keine Probleme geben. Aber vielleicht schon. Lohnt sich nicht, das zu riskieren.«
    »Komm zum Essen.«
    »Ganz schön stur.« Er stellte sein Teeglas auf das Verandageländer und starrte eine Weile zum Dach hinauf, während er tief durchatmete. »Wenn Sie so entschlossen sind, dann komm ich morgen eben zum Kaffee.«
    »Warum kommst du nicht zum Abendessen? Ist doch das Gleiche.«
    »Sie kennen den Unterschied.«
    Das stimmte. Bei einer Tasse Kaffee konnte man auf der Veranda sitzen, was etwas anderes war, als ihn ins Haus einzuladen – vom Esstisch ganz zu schweigen.
    Virgie
    Ich lernte endlich Naomis Prediger und potentiellen Ehemann Bradford kennen. Sie lud mich ein, eines Abends nach der Kirche zusammen mit ihrer Familie zu einem Abendessen der Mitglieder zu kommen. Naomi, Bradford, Tom und ich blieben noch lange sitzen, nachdem Tante Merilyn und Onkel Bill bereits nach Hause gegangen waren. Zu Beginn seiner Predigt hatte Bradford die Geschichte eines Predigers erzählt, der seiner Gemeinde erklärt hatte, sie solle ihren Whiskey und ihren Selbstgebrannten in den Fluss schütten. Der Vorsänger hatte sich danach erhoben und erklärt, dass sie als letzte Hymne »Shall we Gather at the River« singen würden. Ich musste während der Predigt mehr lachen, als ich das sonst in der Kirche tat, und auf dem Nachhauseweg lachte ich noch immer.
    Naomi konnte kaum den Blick von Bradford abwenden. Ich versuchte, Tom aus dem Augenwinkel zu beobachten, um herauszufinden, ob ich mich auch so verzaubern lassen könnte. Aber mir tat nur nach einiger Zeit der Kopf weh.
    Wir waren noch etwa zehn oder zwölf Häuser von Zuhause entfernt, als der Himmel seine Schleusen öffnete. Da wir so ins Gespräch vertieft gewesen waren, hatten wir die Wolken gar nicht bemerkt. Wir erstarrten, als uns der erste Regen traf, und begannen dann zu schreien und loszurennen. Die Männer fragten uns, ob wir ihre Jacken wollten. Aber wir hatten nicht vor, so lange anzuhalten, um sie uns über den Kopf zu ziehen. Während wir rannten, spürte ich, wie sich mein Kleid um meine Beine wickelte. Ich konnte es nicht glattziehen. Nachdem wir einige Häuser weit gelaufen waren, wurde mir klar, dass nicht nur der Stoff nass war, sondern mein ganzes Kreppkleid dabei war einzugehen.
    »Naomi, wir müssen bei dir vorbeigehen!«, rief ich, während unsere Füße die Straße entlanghasteten und immer wieder in Pfützen traten. »Mein Kleid wird bis zu meinen Hüften geschrumpft sein, wenn ich damit bis nach Haus muss!«
    Offenbar war dieser Satz das Lustigste, das sie jemals gehört hatte. Denn sie blieb stehen und warf lachend den Kopf zurück, so dass der Regen über ihr Gesicht strömte, ihr in den Mund und über das Kinn lief. Ihr Kleid klebte an ihr, und ich wusste, dass ich genauso aussah. Doch keine von uns hatte solche Kurven, als dass es zu schockierend gewesen wäre.
    »Geht heim!«, rief Naomi Tom und Bradford zu, nachdem sie sich wieder beruhigt hatte. »Gott könnte euch auf der Stelle tot umfallen lassen, wenn ihr einen Blick auf Virgies Beine werft.«
    »Das habe ich nicht gesagt …«, begann ich, auch wenn ich wusste, dass sie sich nur über meine Prüderie lustig machen wollte.
    »Schnell«, drängte sie. »Ihre Knie könnten jeden
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