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Wenn das Schlachten vorbei ist

Wenn das Schlachten vorbei ist

Titel: Wenn das Schlachten vorbei ist
Autoren: T. C. Boyle
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zusammengekniffenen Lippen.
    »Na und? Ein bisschen Bier in der Muttermilch macht die kleinen Racker nur robuster. Ich meine, seht mich an. Meine Mutter hat zeit ihres Lebens jeden Tag vier bis fünf Pints weggehauen – und glaubt bloß nicht, sie hätte damit aufgehört, bloß weil ihr ein Baby an der Brust gehangen hat.«
    Annabelle verpasst ihm einen leichten Schlag auf den muskulösen Arm. »Komm schon, Frazier, benimm dich zivilisiert. Tu wenigstens so, als wärst du Amerikaner.«
    »Du glaubst doch wohl nicht, dass ich das einer Antwort würdige, oder?« Er erhebt sich. »Bier – die Sprache, die jeder versteht.« Er steht leicht gebeugt da, und Annabelle rutscht zur Seite, um ihm Platz zu machen. »Annabelle?«
    »Ja, warum nicht? Schließlich haben wir ja was zu feiern.«
    »Alma? Bist du sicher?«
    Sie schüttelt den Kopf. »Für mich keins, danke.«
    Sie sehen ihm nach, als er zwischen den Tischen hindurch zur Verkaufstheke geht, wo sich, wie Alma feststellt, schon eine Menge Leute eingefunden haben, die offenbar dieselbe Idee hatten: Jeder hat ein Bier in der Hand, und dabei ist es erst kurz nach zehn. »Das wird eine tolle Party«, sagt Alma.
    Annabelle nickt grinsend. »Und der da« – sie nickt in Fraziers Richtung – »wird dafür sorgen, dass sie erst aufhört, bis wir wieder in Ventura sind und sie uns vom Boot werfen.«
    Die Feier – die nicht verfrüht ist, keineswegs, denn es geschehen tatsächlich Wunder, und diese müssen gewürdigt werden – verdankt sich der Tatsache, dass seit dem Abschuss des letzten Schweines im vergangenen Frühjahr auf der ganzen Insel keine Spuren von Schweinen mehr gefunden worden sind. Sie hätten noch ein Jahr warten können, um die Peinlichkeit zu vermeiden, dass irgendeine Bache mit sechs Frischlingen gerade rechtzeitig für die Sechs-Uhr-Nachrichten auftaucht, aber Schweine richten regelrechte Verwüstungen an und wühlen große Flächen um, die man aus der Luft sehen kann, und so ist man zu neunundneunzig Prozent sicher, dass alle tot sind – aber natürlich wird man noch zwei Jahre lang die Zäune kontrollieren, bevor sie dann für immer entfernt werden. Außerdem werden Frazier und seine Männer in einem Jahr nicht mehr dasein – na ja, Frazier vielleicht doch, jedenfalls nach den Blicken zu urteilen, mit denen er Annabelle betrachtet, wenn er glaubt, dass niemand es sieht.
    Nein, sie ist sicher. Sie würde jede Wette eingehen, dass alle Schweine tot sind. Und dieser Tag – es ist Mitte September, die Sonne steht hoch am Himmel, auf dem Meer ist es dreiundzwanzig Grad warm und in Scorpion werden es wohl sechsundzwanzig sein – ist im PR-Himmel gemacht worden, für eine Gelegenheit wie diese, und weil Freeman Lorber sich in einem Konflikt befindet, wird sie mit Beverly auf dem Arm vor die Gäste und die Kameras von KNBC treten und Santa Cruz für frei von invasiven Spezies erklären.
    Bis auf ein unwillkommenes einzelnes Exemplar von Procyon lotor , das man vor dreieinhalb Monaten am Kompostcontainer der Hauptranch gesehen hat. Vielleicht waren es auch zwei Exemplare – die Erde war zu hart für Pfotenabdrücke –, aber auf jeden Fall war das Tier da. Sie selbst und Allison haben es gesehen, es war unverkennbar. Und das – das Auftauchen eines Waschbären in jener Abenddämmerung im Juni – ist entweder einer der größten Zufälle in der Geschichte der Biogeographie von Inseln oder eine sich zusammenbrauende Katastrophe. Oder beides.
    Anfangs wollte ihnen niemand glauben, und als dann alle herausgerannt kamen, war das Tier natürlich verschwunden. Es muss ein Fuchs gewesen sein , sagten sie, oder ein Skunk; vielleicht ein verkrüppelter Fuchs mit einem gebrochenen Bein (was den eigenartigen Gang erklären würde), doch sie ließ sich nicht beirren. Am nächsten Abend legten sich alle auf die Lauer und sahen die schemenhaften Umrisse von Füchsen und Skunks, die ihre Runden machten, aber keinen Waschbären. Die anderen bedachten sie mit Blicken, als vermuteten sie hormonell bedingte Wahnvorstellungen, und Allison zählte nicht, denn sie war sehr jung. Und sie hatte an jenem Abend ziemlich viel getrunken.
    Am dritten Abend holten Allison und sie eine alte Fuchsfalle hervor und statteten sie mit einem Köder aus reichlich Erdnussbutter und einer halben nicht mehr ganz frischen Dose Thunfisch aus, die jemand weit hinten im Kühlschrank gefunden hatte, während die anderen – auch Frazier und Annabelle – in einer Atmosphäre sarkastischer
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