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Wenn das der Führer wüßte

Wenn das der Führer wüßte

Titel: Wenn das der Führer wüßte
Autoren: Otto Basil
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Die drüben –“
    Der Oberbaurat machte eine unbestimmte Geste und griff nach seinem Fernglas. Das Gespräch fand im Schutz des Führerschlittens statt, eines schweren, bulligen Raupenfahrzeuges, das sonst zum Schneeräumen oder Schleppen eines „Snowblast“ verwendet wurde. Es hatte fast nicht gelitten. Jugurtha lugte um die Ecke. Im Dämmerdunkel sah er rundum Schüsse aufblitzen – strichweise, kettenweise. Es hagelte Einschläge.
    „Die haben auch Granatwerfer. Leider. Und massenhaft Leute. Die Chancen stehen momentan hundert zu null. Ganz große Scheiße. Und wenns Tag wird, kommen wieder die Bremsen. Es waren nur zwei, alte Kisten, aber die haben tüchtig gewirtschaftet.“
    Kircheiß kam in Sicht. Die Lücken zwischen den Schlitten nahm er in kühnen Sprüngen. Sonst hielt er sich dicht am Boden.
    „Das Gerät funktioniert, Scheff. Seit einer Weile versuche ich, mit dem Trupp Verbindung zu bekommen – nichts. Ich höre nichts. Weiß der Teufel, was los ist.“ Ja, weiß der Teufel, was los war.
    „Weitermachen, Kircheiß!“ Und als Kircheiß wieder in Panthersprüngen davonhetzte, weil Laale ihm von der Ferne gewunken hatte, schrie er ihm nach: „Wir müssen durchkommen, wir müssen!“ Und wieder zu Jugurtha gewendet: „Diese Blutsuppe haben uns die verdammten Nanuks [Spitzname für die Eskimos] eingebrockt – eine Schweinebande! Lauter Verräter. Man sollte sie alle an den Graben stellen oder aufknüpfen. Trotzdem sind mir die Nanuks noch beim Arsch lieber als die Amerikaner beim Gesicht.“ (Jugurtha aber dachte: Du Idiot, warum hast du Indianer und nicht Eskimos genommen!)
    Da krachte es drüben mächtig, der Brocken kam herangeheult, man hörte ihn weit draußen dumpf zu Boden fallen, es machte ein Geräusch wie ein Haufen nasser Wäsche. Keine Detonation.
    „Sie schießen sich ein“, sagte der Oberbaurat mehr zu sich als zu Jugurtha, beide hatten sich niedergeworfen. „Mittleres Kaliber, schätze ich. – Haben Sie etwas gehört? Kein Aufschlagzünder, sondern Verzögerung. Liegenbleiben!“
    Nach einer halben Minute krepierte die Sprenggranate. Starker Explosionsdruck, die Stahlsplitter sausten bis zu ihnen herüber.
    Sie setzten sich in die Hocke, jeden Augenblick gewärtig, daß es wieder krachen werde.
    „Wie geht es Ihrer Frau?“
    „Schlimm genug.“ Jugurtha zitterte vor Wut. Das Schwein war schuld, daß es Sigga heute so miserabel ging. Blondi!
    „Sie hat die Atomfäule, die Markfäule. Las es noch drüben im Parere. Habe mich gleich für Frau von Eycke [der Oberbaurat sprach Siggas richtigen Namen mit ironischer Betonung aus] sehr interessiert. – – – Leyen, seien Sie ein Mann und machen Sie Schluß. Hat doch keinen Sinn, Mensch. Wollen Sie, daß die Nanuks mit ihren Sägemessern …? L-w-h! L-w-h! [Die populäre Abkürzung für „Landgraf werde hart“.] Das ist ein Parteibefehl!“
    Was der Dreckskerl nicht alles wußte. Frau von Eycke! Der steckte seinen Rüssel auch in alles, nicht nur in die Antiteilchen. Parteibefehl – zum Teufel mit allen Parteibefehlen!
    „Nicht schlapp gemacht, Leyen. Viel Spaaaaß!“
    Jugurtha war wie betäubt. Im Zurückkriechen sah er, daß trotz der Schießerei damit begonnen wurde, aus den Wracks eine Art Burg zu errichten, ein Schanzenviereck. Es sollte eine rohe Feste werden, sah aber auch wie eine Mausefalle aus. Das Unternehmen Winnetou hätte besser geheißen: Unternehmen Scheißgasse.
    „Viel Spaß“, murmelte er. Er kroch an dem ewig lächelnden Hüttendirektor vorüber und an dem Sterbenden, der ihn um Erlösung gebeten hatte (und sich noch immer bewegte). Und da war endlich auch sein Proviantschlitten mit dem winselnden Hund. Das Tier begrüßte ihn mit einem langgezogenen Heulen und riß an den Riemen.
    Doris und Thusnelda hockten zitternd und halb erfroren hinter dem Krankenschlitten, der Beschuß war gerade hier sehr bös. Sie hatten ihren Beschützer verloren. Der junge Mann lag mit dem Gesicht nach unten im Schnee, unter seinem Körper der Karabiner. Gleich nach Jugurthas Weggang hatte es den Unvorsichtigen getroffen. Auch der Hiwi war nicht mehr da. Nachdem er vergebens den Motor in Gang zu bringen versucht hatte, war er getürmt. Jugurtha befahl den Mädchen, sich „an die Spitze“ abzusetzen und etwas Proviant mitzunehmen – sie könnten im Lager sicher von Nutzen sein. Er werde mit Sigga folgen. Die Mädchen waren so verschüchtert, daß sie ohne Widerrede gehorchten. Jugurtha fing nur Doris’ verzweifelten Blick
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