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Weniger arbeiten, mehr leben

Titel: Weniger arbeiten, mehr leben
Autoren: Hajo Neu
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als Erstes auf dem Altar unseres beruflichen Daseins opfern. Gesundheitskiller Nummer eins ist der Stress, das heißt ständige Anspannung, Druck von außen und natürlich das Bestreben, stets erstklassig und fehlerfrei zu funktionieren. Die Folgen sind Nervosität, Abgespanntheit, Schlafstörungen und nicht selten auch Angst. Die fatale Konsequenz: Wer Herausforderungen nicht mehr als Chance, sondern als Bedrohung wahrnimmt, ist nicht nur unglücklich, sondern auch krankheitsanfälliger.
    Was die Sache noch schlimmer macht: Menschen, die viel arbeiten, ernähren sich ungesund und treiben meist auch weniger Sport – die größten Risikofaktoren für die eigene Gesundheit. Eine Untersuchung des Instituts für Arbeits- und Sozialhygiene Stiftung (IAS) in Karlsruhe aus dem Jahre 2001 bescheinigt deutschen Führungskräften den gefährlichen Trend, sich selbst zu vernachlässigen: »Gerade in Phasen hoher beruflicher Belastung besteht eine Tendenz, die sportlichen Aktivitäten einzuschränken.« Und die Autoren der Studie folgern: »Dass dies erhebliche negative Konsequenzen sowohl hinsichtlich des kardiovaskulären Risikos als auch des Stressabbaus und des psychischen Wohlbefindens hat, wird durch neuere Untersuchungen unterstrichen.« Als Folge diagnostiziert das Institut, das jedes Jahr mehrere tausend Manager auf ihren Gesundheitszustand hin checkt, bei jedem dritten Untersuchten Bluthochdruck, Übergewicht oder erhöhte Blutfettwerte – allesamt erhebliche Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Infarkt oder Schlaganfall. Mit anderen Worten: Wer viel arbeitet, ist fatalerweise auch am ehesten bereit, zugunsten der Karriere auf die billigste und beste gesundheitsfördernde Maßnahme zu verzichten, die es gibt: regelmäßigen Sport. Die boomende Gesundheitsindustrie |26| hat dies längst erkannt und bietet für jeden Geschmack und Geldbeutel das passende Programm, um gestresste Berufstätige in (falscher) Sicherheit zu wiegen. Ob Tai-Chi-, Töpfer- oder Paragliding-Kurse: Als Teilnehmer hat man für kurze Zeit das beruhigende Gefühl, der Hektik entflohen zu sein. Dauerhafte Veränderungen, gar ein veränderter, gesünderer Lebensstil werden dadurch jedoch fast nie bewirkt. Häufig geraten die frisch Therapierten schon kurze Zeit später erneut in die Tretmühle.
    Zu den körperlichen Leiden kommt ein weiterer negativer Aspekt: Einseitig aufs Berufsleben fixierte Menschen laufen Gefahr, dass sich ernste Jobkrisen schnell zu ernsten Lebenskrisen ausweiten. Wer alles für die Karriere gibt und außerhalb des Berufs keine Haltepunkte hat, gerät in Gefahr, die schwache Balance vollends zu verlieren, sobald Rückschläge eintreten. Das kann ein vergeigtes Projekt, ein verlorener Auftrag oder auch nur ein Rüffel vom Chef sein. Wer solche Niederlagen nicht durch Erfolge außerhalb des Berufs ausgleichen kann, kommt über Rückschläge nur schwer hinweg und stellt mit dem (vermeintlichen) Versagen im Beruf auch gleich einen erheblichen Teil seiner Persönlichkeit infrage. Wer dagegen über ein von Psychologen so genanntes »selbstkomplexes Selbstbild« verfügt, kennt solche Probleme nicht. Denn selbstkomplexe Menschen definieren ihr Ich nicht ausschließlich über Job und Karriere, sondern ebenfalls über eine Vielzahl weiterer Identitäten: als sozial engagierte Menschen, als Familienväter und -mütter, als erfolgreiche Hobby-Künstler oder Sportler.

    Am Anfang steht meist einfach nur Zeitmangel, wie bei Karen G., einer Werbe-Managerin
aus Hamburg. Die 34-Jährige hatte eine Full-Speed-Karriere absolviert
und sich in Rekordzeit von der Praktikantin zur Etat-Direktorin in einer großen
Werbeagentur hochgearbeitet. Der Preis für ihren spannenden und gut bezahlten
Job, aus dem die Power-Frau einen Großteil ihres Selbstbewusstseins zog:
Zehn- bis Zwölf-Stunden-Tage, Wochenendarbeit, permanenter Stress und Druck
von den Kunden. Was die sozialen und menschlichen Defizite betraf, ging es ihr
nicht anders als vielen Kollegen: »Man sagt sich, mein Gott, ich mach das noch ein
paar Jahre, dann spring ich ab auf einen ruhigeren Posten.«

    |27| Naturgemäß besitzt jeder Mensch eine ganze Reihe von unterschiedlichen Talenten und Fähigkeiten; eine wunderbare Vielseitigkeit, die in uns schlummert, die jedoch bei Menschen verkümmert, deren einseitiges Selbstbild nur die Karriere als Maßstab für Erfolg und Misserfolg kennt. Bittere Konsequenz: Eine kleine Niederlage im Büro wird zur großen Niederlage im
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