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Wen liebst du, wenn ich tot bin?

Wen liebst du, wenn ich tot bin?

Titel: Wen liebst du, wenn ich tot bin?
Autoren: Arena
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dass er natürlich ein Ire war, obwohl er in seinem Leben erst ein einziges Mal in Dublin gewesen war und sich auch gar nicht mehr daran erinnern konnte.
    Menschen, die gerne reden, sind manchmal keine guten Zuhörer, aber bei Trick war das anders. Er hörte mir aufmerksam zu und ich erzählte ihm alles. Ich sprach viel von Mum. Er war der einzige Mensch, den ich kannte, der von dem, was sie machte, beeindruckt war. Ich erzählte ihm, wie gerne sie sang und wie eng bei ihr Lachen und Schimpfen beieinanderlagen, und wie sie aussah, wenn sie sich zurechtgemacht hatte, um abends mit Tess auszugehen, und dass sie dann immer Schwarz trug und kein Make-up, sondern lediglich Lippenstift auflegte und das Haar zu einer kunstvollen Hochfrisur steckte.
    Er zeigte mir, wie man Maiskolben in der Asche röstet, und erzählte, wie man seine Leute in der Vergangenheit immer wieder von ihren Lagerplätzen vertrieben hatte. Wenn es ein großes Camp war, in dem viele Familien lebten, waren alle mit dabei, sogar die ganz Kleinen. Manchmal klammerten sie sich dann an die Beine der Großen und weinten. Und irgendwann wurden sie dann umgestoßen oder weggeschubst, was wiederum ihre Mütter in Rage brachte, obwohl es eigentlich deren Aufgabe war, sie sicher und wohlbehalten in die Wohnwagen zu bringen.
    Wenn Tricks Vater erfuhr, dass Leute von irgendwelchen Ämtern unangemeldet vorbeikämen, rief er seine Brüder zu Hilfe. Sie waren zu sechst. Dabei hatte es schon richtig schlimme Zwischenfälle gegeben, es wurden Steine geworfen, Fenster gingen zu Bruch, Feuer wurden gelegt. Tricks Augen leuchteten, als er erzählte, was sie alles unternahmen, um sich gegen die Gadschos zu behaupten. Für mich hörte sich das seltsam an, es waren Geschichten aus einer völlig fremden Welt.
    Er erzählte mir, dass der Wohnwagen seines Onkels Johnny – das war der mit dem breiten Kinn – einmal völlig niedergebrannt war. Ich traute meinen Ohren kaum. War es denkbar, dass ihn jemand angezündet hatte? Aber Trick meinte, so etwas machten die Ansässigen andauernd.
    »Wenn wir unterwegs sind, mögen sie uns nicht, und wenn wir irgendwo ein Lager aufschlagen, mögen sie uns auch nicht«, sagte er.
    Dad wartete immer noch darauf, dass die örtliche Verwaltung ihm dabei half, die Fremden zu vertreiben. Sobald er die Zustimmung der offiziellen Stellen hatte, würde das fahrende Volk sofort weiterziehen oder andernfalls die Konsequenzen tragen müssen, was, wenn ich ihn recht verstand, bedeutete, dass sie zwangsweise vertrieben wurden oder, falls sie Widerstand leisteten, zwangsweise vertrieben und ihre Autos und Wohnwagen beschlagnahmt wurden.
    Das kam mir ziemlich grausam vor, aber Dad meinte, ich verstünde nichts davon. »Du denkst, alle Menschen sind gut«, sagte er, als wäre ich nicht ganz bei Trost, nur weil ich nicht wollte, dass Menschen auf einer Schnellstraße wohnen müssen. »Du wirst schon sehen. Sie werden so lange wie möglich hierbleiben, ein heilloses Durcheinander anrichten und sich dann aus dem Staub machen. Und wer, denkst du, muss den Dreck wieder wegräumen?«
    Trick und ich sprachen nicht über diesen Kleinkrieg. So wie es aussah, hatte keiner von uns in dieser Angelegenheit etwas zu sagen, also hatte es auch keinen Sinn, darüber zu diskutieren. Stattdessen schwammen wir im See, kletterten auf die Eiche, machten Feuer, aßen Maiskolben und unterhielten uns über alles Mögliche. Gerade als ich schon gar nicht mehr wusste, wie es ohne Trick gewesen war, klingelte in Silverweed das Telefon und erinnerte mich wieder daran.
    »Habe ich dich irgendwie verärgert?«, platzte Matty los, kaum dass ich Hallo gesagt hatte.
    Ich hatte sie tatsächlich fast vergessen.
    »Ich dachte, du rufst mich mal an oder lädst mich zu dir ein oder sonst was. Sind wir keine Freundinnen mehr?«
    »Natürlich sind wir Freundinnen«, erwiderte ich. »Wir haben jetzt gerade mal eine Woche nichts voneinander gehört.«
    »Zwei Wochen!«, sagte sie. »Fast. Letztes Jahr waren wir die ganzen Ferien zusammen und wir haben jeden Tag telefoniert.«
    Ich kam mir schäbig vor. Matty hatte recht. Im vergangenen Jahr hatten wir den Sommer miteinander verbracht. Und die vier Jahre zuvor auch. Benjy und Matty gingen bei uns ein und aus, meist saßen wir im Garten und zeichneten oder picknickten auf der Koppel. Manchmal saß Matty auf ihrem Badetuch und sah uns zu, wie wir mit einem Schlauchreifen den Bach hinunterfuhren.
    Ich entschuldigte mich. Sie blies die Luft aus und ließ
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