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Wen liebst du, wenn ich tot bin?

Wen liebst du, wenn ich tot bin?

Titel: Wen liebst du, wenn ich tot bin?
Autoren: Arena
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knüllte ihn zusammen.
    Wie ich so neben ihm lag, fiel mir ein altes Foto von Mum und Dad ein. Darauf stehen die beiden vor einem Wohnwagen, schmiegen sich aneinander und lachen. Er in einer Schlaghose, sie in einem geblümten Minikleid. Sie sieht nur ein paar Jahre älter aus als ich. Ein Junge und ein Mädchen, so wie wir beide jetzt. Ich begriff es einfach nicht. Wie konnte man aufhören, jemanden zu lieben?
    Ich stand auf, klopfte mir den Staub von den Shorts und fragte Trick, ob er mal was Cooles sehen wollte. Natürlich wollte er.
    Wenn man dem Bach bis weit in das Ashbourne-Anwesen folgte, bis ganz an das äußerste Ende des Maisfelds, vorbei an der Weide, wo die Shetlandponys grasen und der Stacheldraht voller Schafwolle hängt, dann gelangte man nach Drum Hill, wo der Bach durch eine Betonröhre floss.
    Ich ließ Trick vorangehen, damit er den Ausblick vom Hügel als Erster sehen konnte.
    Er stieß einen bewundernden Pfiff aus.
    Unter uns erstreckte sich der Ashbourne-See; groß wie ein Fußballfeld glitzerte er in der Sonne. Als wir das Ufer erreichten, landeten gerade zwei Schwäne und scheuchten mit ihren biegsamen orangefarbenen Füßen Moorhühner auf. Trick spritzte Wasser auf sie, bis sie ihn anzischten, und ich bat ihn, sie in Ruhe zu lassen. Als eine Minute später einer ans Ufer gewatschelt kam und schnappend und fauchend hinter ihm herlief, musste ich lachen.
    Am rechten Uferrand erstreckte sich ein Obstgarten. Ich ließ mich unter einem knorrigen Apfelbaum fallen, weil ich dringend Schatten brauchte. In einiger Entfernung war das Herrschaftshaus von Ashbourne zu sehen, grau und klobig stand es da, und Trick fragte, ob wir hier überhaupt sein durften. Ich sagte ihm, wenn jemand kommt, dann müssten wir weglaufen, worauf er nichts erwiderte, aber an seiner Miene konnte ich ablesen, dass er sich freute.
    In der Mitte des Sees goss eine steinerne Frauenfigur Wasser über ihre nackten Schultern, und ich ertappte mich dabei, dass ich schon wieder an Mum dachte, wie sie einen Schwamm im Bad nass machte und ihn dann ausdrückte, damit ihr das Wasser über den Kopf und ihr langes Haar lief. Bevor ich noch weiter ins Grübeln kam, streifte ich meine Schuhe ab und rannte in das eiskalte Wasser.
    Alles hörte sich dumpf an und das Schilfgras kitzelte am Bauch. Dann hörte ich ein Platschen, als Trick neben mir in den See sprang. Wir traten Wasser und grinsten uns an, denn man konnte unmöglich in Worte fassen, wie schön es war, sich die Sonne auf den Kopf brennen zu lassen und das kalte Wasser auf dem Körper zu spüren, während der See golden und silbern funkelte, sobald wir auch nur unsere Köpfe bewegten.
    Mein Blick fiel auf einen neonblauen Blitz. Automatisch folgte ich ihm und bewegte mich langsam durchs Wasser.
    »Was ist?«, fragte Trick und kam hinter mir her.
    »Pssst.«
    Die Libelle flatterte von einem Schilfhalm zum anderen, dann setzte sie sich. Der Schlag ihrer Flügel war so schnell, dass das menschliche Auge nicht folgen konnte.
    »Ist das zu fassen? Schau. Es ist eine Azurjungfer! Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals eine sehe.«
    Ihr rutenförmiger Körper zuckte, dann flog sie weg, und ich spritzte vor lauter Freude Wasser in die Luft.
    »Woher weißt du das?«, fragte Trick, verwundert, dass ich so aus dem Häuschen war. Trotzdem gab er mir nicht das Gefühl, mich albern zu benehmen, und deshalb sagte ich ihm die Wahrheit: von meinem Dad.
    »Die Azurjungfern haben drei Streifen auf der Brust. Sie sind wirklich sehr selten. Mein Vater weiß alles über Pflanzen und Tiere«, sagte ich und schnippte Wasser auf einen Mückenschwarm.
    »Cool«, sagte Trick. Ich tauchte mit dem Kopf unter Wasser, damit er mein glückliches Grinsen nicht sah.
    Mit betont ernster Miene tauchte ich wieder auf und umklammerte mit den Zehen einen Stein am Ufer. Trick tat das Gleiche.
    »Ich bin froh, dass wir hergekommen sind«, sagte er, und ich hörte an seiner Stimme, dass er nicht nur heute und den See damit meinte.
    »Ich auch«, erwiderte ich, und die Locken über meinen Ohren wippten zustimmend.

Vier
    V on da an verbrachten wir jeden Tag gemeinsam. Der Sommer war so heiß, dass es verboten war, den Garten mit dem Schlauch zu bewässern. Aber ich schleppte einen wackeligen Stuhl von Silverweed an, auf dem wir im Schatten unter der Eiche Karten spielten. Trick gehörte zu den irischen Landfahrern, was hieß, dass er katholisch war und eigentlich viel öfter die Messe besuchen sollte, als er es tat, und
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