Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wen die Erinnerung trügt - Crombie, D: Wen die Erinnerung trügt - Where Memories Lie

Wen die Erinnerung trügt - Crombie, D: Wen die Erinnerung trügt - Where Memories Lie

Titel: Wen die Erinnerung trügt - Crombie, D: Wen die Erinnerung trügt - Where Memories Lie
Autoren: Deborah Crombie
Vom Netzwerk:
Energie und ihre Forschheit geliebt hatte. Er hatte gedacht, dass sie mit allem fertig werden würde, aber sie hatte sich nie mit der Rolle der Polizistengattin anfreunden können, und das hatte sie zu der Frau gemacht, die jetzt vor ihm stand: der verhärmte Schatten des Mädchens, das sie vor langer Zeit gewesen war.
    Und die Kinder – war es seine Schuld? Hatte er als Vater versagt? Und wenn es so war, was hatte er stattdessen erreicht? Gewiss hatte er nichts getan, um das Leben für den Mann erträglicher zu machen, den sie heute in seinem Sessel gefunden hatten, oder für andere wie ihn.
    »Gav? Du siehst ja aus, als hättest du einen Geist gesehen.« Seine Frau kam auf ihn zu und hob die Hand, um ihm mit den Fingerrücken über die Wange zu streichen.
    Die Geste war so unerwartet in ihrer längst vergessenen Zärtlichkeit, dass ihm die Tränen in die Augen traten. Er fasste ihre Hand und drückte sie, und sie schmiegte sich leicht an ihn. Ihr Körper war so zart, so warm. Er schluckte und flüsterte: »Es tut mir leid … Ich habe alles falsch gemacht, ich...«
    Das Läuten des Telefons ließ sie beide zusammenfahren, und wie ertappteTeenager ließen sie voneinander ab. Einen Moment lang sahen sie einander in die Augen, dann hielt er es nicht mehr aus, und sein Blick ging unwillkürlich zum Telefon, das wie ein schwarzes Monster auf dem Tisch am Ende des Flurs hockte und bei jedem Rasseln erzitterte.
    »Ich sollte wohl besser drangehen«, sagte er.
    »Das tust du ja immer«, entgegnete seine Frau und zog ihre Hand zurück.

    Gavin verließ seine Wohnung am Tedworth Square und ging die Tite Street hinunter in Richtung Fluss. An der Royal Hospital Road bog er rechts ab, und als er die Uferstraße erreichte, hielt er einen Moment inne, um einen Blick nach Westen auf die glitzernde Silhouette der Albert Bridge zu werfen, die sich vor dem orange- und purpurfarbenen Himmel abzeichnete.Vor einem Jahr war die Brücke für das Festival of Britain mit Lichterketten geschmückt worden, und bei ihrem Anblick stockte ihm noch immer der Atem. Ihre luftige, schwebende Erscheinung verstärkte noch das Gefühl der Losgelöstheit, das ihn verfolgte, seit er von zu Hause aufgebrochen war.
    Er hatte natürlich protestiert, doch der diensthabende Sergeant vom Revier Chelsea hatte darauf beharrt, dass Gavin nun einmal der nächste verfügbare ranghöhere Beamte der Kriminaldirektion sei, und mit einem Seufzer hatte Gavin sich in sein Schicksal ergeben.
    Jetzt fragte er sich, ob er einen Teil von sich selbst hinter sich gelassen hatte – jenen Teil, der vielleicht dageblieben wäre und sich zärtlich um seine Frau gekümmert hätte. Hatte er einen Anflug von Verständnis in ihren Augen gesehen, als sie ihm nachgeblickt hatte? Oder hatte er an einer entscheidenden Kreuzung den falschen Weg eingeschlagen? Gab es kein Zurück mehr?
    Unsinn – das war doch alles dummes Zeug. Er hatte einen Job zu erledigen. Er schüttelte sich, wandte sich nach Osten und marschierte los, in die heraufziehende Dunkelheit hinein.
    Der Constable, eine Silhouette in dunkler Uniform, erwartete ihn am Tor des kleinen, dicht mit Bäumen und Sträuchern bestandenen Parks am Ende des Cheyne Walk. »Inspector Hoxley.«
    Er erkannte den Mann, als er zu sprechen begann – ein junger Constable namens Simms -, und beim angespannten Ton seiner Stimme stellten sich Gavin die Nackenhaare auf. Hier ging es nicht bloß um einen Saufbruder, der im Park seinen Rausch ausschlief. »Ist sonst schon jemand da?«, fragte er.
    »Nein, Sir. Ich wollte eigentlich dableiben – bei dem Mann, Sir -, aber ich hatte Angst, dass Sie mich dann nicht finden würden.«

    »In Ordnung, Simms, dann lassen Sie uns mal sehen, was Sie gefunden haben.«
    Er folgte dem flackernden Licht von Simms’ Taschenlampe, als der Constable durch das Tor trat und vorsichtig einen Kiesweg entlangging, der sich vor ihnen als schwach leuchtendes Band abzeichnete. Hinter einer Biegung tauchten die Umrisse einer Bank auf, und darunter lag etwas – eine dunkle Form, die an einer Stelle weiß schimmerte.
    Dass es sich um den Körper eines Menschen handelte, war unverkennbar, und dass er nicht mehr lebte, daran ließ die unnatürliche Haltung keinen Zweifel. »Halten Sie die Lampe ruhig, Mann«, sagte Gavin, als der Lichtstrahl zu zittern begann. Als er sich umblickte, zuckte der Strahl nach oben, und er sah, dass der Constable selbst bedenkliche Ähnlichkeit mit einer Leiche hatte.
    Zu jung, um im Krieg
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher