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Wen die Erinnerung trügt - Crombie, D: Wen die Erinnerung trügt - Where Memories Lie

Wen die Erinnerung trügt - Crombie, D: Wen die Erinnerung trügt - Where Memories Lie

Titel: Wen die Erinnerung trügt - Crombie, D: Wen die Erinnerung trügt - Where Memories Lie
Autoren: Deborah Crombie
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Rosenthal ohne ernsthaften Grund um diese Zeit anrufen würde.
    »Geh«, sagte er. »Du hast die Prüfung als Gastgeberin glänzend bestanden, und es herrscht sowieso schon Aufbruchstimmung.« Er deutete in Richtung der Tafelrunde. »Wir sagen ihnen, dass deine Freundin krank ist. Und du kommst auf die Weise um den Abwasch herum.«
    »Herzlichen Glückwunsch.« Gemma schenkte ihm ein flüchtiges Lächeln und nahm die Hand von der Sprechmuschel. »Erika, ich bin in einer Viertelstunde bei Ihnen.«

    Irgendwann während des Essens hatte der Regen aufgehört, und jetzt war die Luft frisch und kühl. Gemma merkte, dass der Wein ihr ein bisschen zu Kopf gestiegen war, und so beschloss sie, die kurze Strecke bis Arundel Gardens zu Fuß zu gehen. Das würde ihr auch die Gelegenheit geben, den anstrengenden Dauer-Smalltalk bei Tisch auszublenden und ein wenig zur Besinnung zu kommen.
    Als reineVorsichtsmaßnahme schnappte sie sich einen Schirm aus dem Ständer in der Diele, den sie beim Gehen wie einen Spazierstock schwang und mit der Spitze auf das Pflaster schlug. Bald hatte sie die von grünen Bäumen gesäumte Lansdowne Road hinter sich gelassen und passierte die Reihenhäuser von Arundel Gardens. In den Erdgeschossfenstern von Erikas Haus brannte Licht, wie um ihr den Weg zu weisen.
    Gemma fiel auf, dass sie noch nie abends bei Erika gewesen war – immer nur zum Lunch oder zum Tee. Sie hatte stets angenommen, dass Erika eine Frühaufsteherin sei und auch entsprechend zeitig zu Bett gehe. Als sie klingelte, warf sie einen Blick auf ihre Armbanduhr: Es war halb zwölf.
    Erika kam rasch an die Tür und fasste Gemma zur Begrüßung an den Händen – eine ungewöhnliche Geste, da sie sonst Körperkontakt eher vermied.Während sie ins Wohnzimmer voranging, sagte sie: »Ich hätte Sie nicht so spät herbitten sollen. Sie werden denken, dass ich unsere Freundschaft ausnutze.«
    Gemma blickte sich mit dem Wohlbehagen um, das sie hier jedes Mal empfand. Sie hatte dieses Zimmer von Anfang an geliebt, seit ihrem ersten Besuch kurz nach ihrer Versetzung nach Notting Hill als frischgebackener Inspector. Damals hatte sie persönlich eine Einbruchsanzeige übernommen, einfach nur, um wieder ein Gefühl für die Straße zu bekommen. Und dabei hatte sie Dr. Erika Rosenthal kennengelernt, eine zierliche weißhaarige Frau mit Feuer in den dunklen Augen, die ihr empört den Diebstahl ihres Fernsehers und einiger Schmuckgegenstände
gemeldet hatte. Es war mehr dieVerletzung ihrer Privatsphäre als der materielleVerlust, worüber sie aufgebracht war, und Gemma, die mit Sorge sah, wie schutzlos die allein lebende alte Dame war, hatte ihr vorgeschlagen, die Sicherheitsvorkehrungen an ihrem Haus zu verstärken. Es war ihr klar gewesen, dass die Frau ihre Sachen höchstwahrscheinlich nie wiedersehen würde.
    Sie erinnerte sich, dass sie noch eine Weile geblieben war, um ein wenig mit der alten Dame zu plaudern, und wie sie das Zimmer mit den tiefroten Wänden bewundert hatte, mit den teuren, aber sympathisch verschlissenen Möbeln, den Bücherregalen und den leuchtenden Landschaftsbildern. Und dann war da Erikas Flügel gewesen, der Gemma mit Neid erfüllt hatte, bis Duncan ihr ein eigenes Instrument geschenkt hatte.
    Wenige Wochen später hatte Gemma im Rahmen eines Falles, in den Verwandte von Duncan in Glastonbury verwickelt waren, über das Thema Göttinnenverehrung recherchiert und war dabei auf eine Monografie von Dr. Erika Rosenthal gestoßen. Sie hatte sich an den Namen erinnert und sich Rat suchend an Erika gewandt, und das war der Beginn einer ziemlich ungewöhnlichen Freundschaft gewesen.
    Ungeachtet des großen Unterschieds in Alter, Herkunft und Bildung hatte Erika Gemma stets Unterstützung und Rat gewährt, und die alte Dame zeigte auch großes Interesse an den Kindern, insbesondere an Kit, den sie ermutigte, seinen Traum zu verfolgen und Biologe zu werden.
    Jetzt fragte Gemma sich, ob sie auch nur halb so viel in die Beziehung eingebracht hatte, wie sie davon profitiert hatte. »Sie nutzen mich selbstverständlich nicht aus«, sagte sie rasch, während ihr Blick auf das aufgeschlagene Buch neben Erikas Sessel fiel und auf das halb leere Glas daneben – Whisky, wie es aussah. Der Anblick erfüllte sie mit leisem Unbehagen – sie hatte ihre Freundin noch nie irgendetwas Stärkeres trinken sehen als ab und zu ein Glas Sherry oder Wein.

    »Ich darf Ihnen doch etwas anbieten«, sagte Erika, »dafür, dass Sie sich zu dieser
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