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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt
Autoren: Ernest Hemingway
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den Napf, füllte die Tasse, und sie alle stießen mit ihren Tassen an.
 Der Wein war gut, mit einem leichten Harzgeschmack von dem Schlauch, aber ausgezeichnet, leicht und angenehm auf der Zunge. Robert Jordan trank langsam, er fühlte, wie die Wärme seine Müdigkeit durchströmte. »Gleich kommt das Essen«, sagte Pablo. »Und dieser Ausländer mit dem merkwürdigen Namen, wie ist er gestorben?«
 »Er geriet in Gefangenschaft und beging Selbstmord.«
 »Wie kam das?«
 »Er war verwundet, und er wollte kein Kriegsgefangener sein.«
 »Weißt du Näheres?«
 »Nein«, log Jordan. Er kannte die Einzelheiten sehr genau, und er wußte, daß sie jetzt kein gutes Gesprächsthema abgeben würden.
 »Wir mußten ihm versprechen, ihn zu erschießen«, sagte Pablo, »wenn er bei der Zuggeschichte verwundet wird und nicht mehr weg kann. Er hat sehr sonderbar dahergeredet.«
 Er muß schon damals nervös gewesen sein, dachte Robert Jordan. Armer Kaschkin.
 »Er hatte ein Vorurteil dagegen, sich selber umzubringen«, sagte Pablo. »Er hat es mir gesagt. Auch hatte er große Angst davor, gefoltert zu werden.«
 »Hat er es auch dir gesagt?« fragte Robert Jordan.
 »Ja«, sagte der Zigeuner. »So hat er mit uns allen geredet.«
 »Warst du auch mit bei dem Zug?«
 »Ja. Wir waren alle mit bei dem Zug.«
 »Er hat sehr verwunderlich geredet«, sagte Pablo. »Aber er war sehr tapfer.«
 Armer Kaschkin, dachte Robert Jordan. Er hat wohl mehr Schaden angerichtet als Nutzen. Wenn ich bloß gewußt hätte, daß er schon damals so nervös war. Man hätte ihn abberufen müssen. Es tut nicht gut, wenn Leute, die diese Arbeit machen, solches Zeug reden. So redet man nicht. Auch wenn sie ihren Auftrag durchführen, schaden sie mehr, als sie nützen, mit solchem Gerede. »Er war ein wenig sonderbar«, sagte Robert Jordan. »Ich glaube, er war ein bißchen verrückt.«
 »Aber sehr geschickt. Was für schöne Explosionen er gemacht hat«, sagte der Zigeuner. »Und sehr tapfer.«
 »Aber verrückt«, sagte Robert Jordan. »Bei solchen Geschichten muß man sehr viel Kopf haben, und einen sehr kühlen Kopf. So redet man nicht.«
 »Du«, sagte Pablo. »Wenn du bei einer solchen Sache wie der Brücke verwundet wirst, möchtest du dann, daß man dich zurückläßt?«
 »Hör mal«, sagte Robert Jordan, beugte sich vor und füllte seine Tasse wieder mit Wein. »Hör genau zu. Wenn ich mal von jemandem eine kleine Gefälligkeit zu verlangen habe, dann werde ich ihn im entsprechenden Augenblick darum bitten.«
 »Gut«, sagte der Zigeuner beifällig. »So reden die Richtigen. Ah, da kommt es.«
 »Du hast schon gegessen«, sagte Pablo.
 »Und ich kann noch zweimal soviel essen«, erwiderte der Zigeuner. »Schau mal, wer das Essen bringt.«
 Das Mädchen bückte sich, als sie mit der großen, eisernen Kochpfanne aus der Höhle kam, und Robert Jordan sah ihr Gesicht von der Seite, und sah zugleich das Seltsame an ihr. Sie lächelte und sagte: »Hola, Genosse«, und Robert Jordan sagte: »Salud« und bemühte sich, sie nicht anzustarren und auch nicht wegzuschauen. Sie stellte die flache Pfanne vor ihn hin, und ihm fielen ihre schönen braunen Hände auf. Jetzt blickte sie ihm voll ins Gesicht und lächelte. Ihre Zähne waren weiß in dem braunen Gesicht, ihre Haut und ihre Augen waren von dem gleichen goldgelben Braun. Sie hatte hohe Backenknochen, lustige Augen und einen regelmäßigen Mund mit vollen Lippen. Ihr Haar hatte das goldene Gelb eines Kornfeldes, das die Sonne gebräunt hat, aber sie trug es sehr kurz geschnitten, so daß es nicht viel länger war als die Haare eines Biberpelzes. Sie lächelte Robert Jordan ins Gesicht und hob die braune Hand und strich sich über den Kopf, das Haar glättend, das, kaum geglättet, sich wieder aufrichtete. Sie hat ein schönes Gesicht, dachte Robert Jordan, sie würde schön sein, wenn man ihr nicht die Haare gestutzt hätte.
 »So kämme ich mich«, sagte sie lachend zu Robert Jordan. »Los! Iß! Starr mich nicht an! So haben sie mir in Valladolid das Haar geschnitten. Es ist jetzt schon fast wieder nachgewachsen.«
 Sie setzte sich ihm gegenüber hin und betrachtete ihn. Er erwiderte ihren Blick, und sie lächelte und faltete die Hände über den Knien. Ihre Beine ragten lang und schlank aus den offenen Stulpen der Hose hervor, wie sie so dasaß, die Hände über den Knien, und er sah die Kontur ihrer kleinen, emporstehenden Brüste unter dem braunen Hemd. Sooft Robert Jordan
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