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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt
Autoren: Ernest Hemingway
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Wir müßten tragbare Kurzwellensender mithaben. Ja, es gibt noch so manches, was wir haben müßten. Ich müßte auch ein Ersatzbein bei mir haben.
 Er mußte lächeln, aber der Schweiß brach ihm aus allen Poren, weil das Bein, dessen Hauptnerv im Sturz beschädigt worden war, heftig zu schmerzen begann. Sie sollen doch endlich kommen! sagte er. Ich möchte nicht dasselbe machen wie mein Vater. Wenn es sein muß, gut, aber ich möchte es mir ersparen. Ich bin dagegen. Denk nicht darüber nach! Du sollst überhaupt nicht nachdenken. Wenn bloß die verfluchten Hunde schon kämen! Ich kann es nicht mehr erwarten.
 Das Bein tat ihm jetzt sehr weh. Der Schmerz war ganz plötzlich gekommen, mit der Schwellung, nachdem er sich bewegt hatte, und er sagte: Vielleicht soll ich es jetzt doch machen! Schmerzen aushalten ist nicht meine starke Seite. Hör mal, wenn ich es jetzt mache, wirst du mich doch nicht mißverstehen, oder? Mit wem redest du? Mit niemandem. Wahrscheinlich mit Großvater. Nein. Mit niemandem. Verdammt noch mal, wenn sie bloß kämen!
 Hör mal, ich werde es vielleicht machen müssen. Wenn ich nämlich ohnmächtig werde, kann ich nichts ausrichten, und wenn sie mich dann wieder ins Bewußtsein zurückrufen, werden sie mich ausfragen und alle möglichen Sachen machen, und das hat keinen Zweck. Dem soll man sich lieber nicht aussetzen. War's also nicht das beste, es jetzt einfach zu machen, und dann ist die ganze Geschichte vorbei? Weil... Oh, hör zu, ja, hör zu, laß sie doch endlich kommen! Du hältst dich gar nicht besonders, Jordan, sagte er. Gar nicht besonders. Wer hält sich denn besonders gut? Ich weiß es nicht, und es ist mir auch ganz egal, aber du hältst dich nicht besonders. Das stimmt. Ganz und gar nicht. Ganz und gar nicht. Warum soll ich es jetzt nicht machen? Glaubst du nicht, daß es das beste wäre?
  Nein, nein. Noch kannst du etwas ausrichten. Solange du dir im klaren bist darüber, was du zu tun hast, mußt du es tun. Solange du nicht die Besinnung verlierst, mußt du warten, bis es an dich herankommt. Vorwärts! Sie sollen kommen! Sie sollen kommen! Sie sollen kommen!
 Denk an die anderen, die entwischt sind, dachte er. Denk daran, wie sie durch den Wald reiten. Denk daran, wie sie über einen Bach reiten. Denk daran, wie sie durch das Heidekraut reiten. Denk daran, wie sie den Abhang hinaufreiten. Denk daran, daß sie heute abend in Sicherheit sind. Denk daran, daß sie die ganze Nacht hindurch weiterreiten. Denk daran, wie sie sich morgen verstecken werden. Denk an die anderen. Gott verdamm mich, denk an die anderen! Jetzt geht's nicht mehr weiter, sagte er sich.
 Denk an die Montana. Ich kann nicht. Denk an Madrid. Ich kann nicht. Denk an einen Schluck kalten Wassers. Gut. Genauso wird es sein. Wie ein Schluck kühlen Wassers. Du lügst. Es wird ein Nichts sein. Nichts weiter als ein Nichts. Einfach ein Nichts. Dann mach es doch! Mach es! Mach es jetzt gleich. Warum denn nicht? Los, mach es. Nein, du mußt warten. Worauf? Das weißt du ganz genau. Also warte!
 Ich kann jetzt nicht länger warten, sagte er. Wenn ich noch länger warte, werde ich ohnmächtig. Das weiß ich, denn ich bin jetzt schon dreimal nahe daran gewesen und habe mich gerade noch beherrscht. Gerade noch beherrscht. Aber ich weiß nicht, wie es weiter sein wird. Weißt du, was ich glaube? Der Hüftknochen hat das Gewebe zerrissen, und jetzt hat eine innere Blutung eingesetzt. Weil du dich umgedreht hast. Deshalb die Schwellung, und das schwächt dich, und deshalb bist du immer drauf und dran, in Ohnmacht zu fallen. Am besten, du machst es jetzt gleich. Wirklich, ich sage dir, das ist am besten. Und wenn du wartest und sie auch nur ein Weilchen aufhältst oder bloß den Offizier erledigst, kann das von großer Bedeutung sein. Eine einzige kleine Sache, gut durchgeführt, kann –
 Gut, sagte er. Und er lag ganz still und bemühte sich, sein waches Ich festzuhalten, das ihm zu entgleiten drohte, wie zuweilen der Schnee auf einem Abhang unter den Füßen zu entgleiten beginnt, und er sagte sich jetzt ganz ruhig: Ich will durchhalten, bis sie kommen.
 Er hatte Glück bis zuletzt, denn jetzt sah er die Reiter aus dem Wald kommen und die Straße überqueren. Sie kamen den Hang heraufgeritten. Er sah, wie einer der Soldaten neben dem toten Gaul haltmachte und den Offizier anrief, der zu ihm hinüberritt. Er sah, wie sie beide das tote Pferd betrachteten. Sie erkannten es natürlich wieder. Gaul und Reiter
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