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Weltraumpartisanen 24: Astronautensonne

Titel: Weltraumpartisanen 24: Astronautensonne
Autoren: Mark Brandis
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MZ.
    In spätestens zwei Stunden und dreiundvierzig Minuten würde alles vorbei sein. In einem Bericht über das Projekt Astronautensonne hatte ich gelesen, daß man mit einer Initialtemperatur von 2,5 Millionen Grad Celsius im Titankern und mit 180 000 Grad Celsius an der Oberfläche rechnete. Für eine noch stärkere Aufheizung würde die dann einsetzende thermonukleare Reaktion sorgen.
    Auch Jennifer Jordan mußte das wissen. Dennoch verlor sie nicht die Nerven. Ich sah sie mit neuen Augen. Sie war eine ungewöhnliche Frau: mit Mut und einem starken Willen.
    „Sir?“
    „Was gibt’s?“
    „Hören Sie selbst, Sir!“
    Lieutenant Levy war aufgesprungen und winkte mich zu sich heran.
    Im Luftschaft waren Stimmen zu hören. In einem der benachbarten Räume wurde über unser Schicksal entschieden. Eine Stimme war rauh und heiser. Ich hörte sie zum ersten Mal.
    „… alles erledigt.“
    „Lassen Sie abrücken! Was denn noch?“
    „Das Verhör der Gefangenen, Sir.“
    „Zu spät. Damit kann ich mich jetzt nicht aufhalten.“
    „Sir, Sie haben selbst angeordnet…“
    „Ich weiß, ich weiß, aber es gab Verzögerungen. Ist mein Gepäck an Bord?“
    „Ja, Sir. Erlauben Sie mir die Bemerkung: Wir haben immer noch keine Spur von Martin Seebeck. Ein kurzes, intensives Verhör…“
    „Zu spät. Wir werden Seebeck schon finden. Gehen wir!“
    „Soll ich die Gefangenen nicht vielleicht zuvor…“
    „Gehen wir, gehen wir! Das Problem erledigt sich von selbst.“
    Im Luftschacht wurde es still.
    Die zweite Stimme gab mir zu denken. Ich kannte sie. Geschmeidig. Granit unter Seide. Ich durchforstete meine Erinnerung nach einem Gesicht, nach einer Gestalt, die dazu passen mochte, aber alle Anstrengung blieb vergebens.
    Als die Wände zu zittern begannen, warf ich das Handtuch. Ich kam nicht darauf. Draußen war das Triebwerk der Astral angesprungen und lief warm. Das Dröhnen schwoll zum Donnergetöse an, als die Astral abhob. Eine knappe Minute lang war das Schiff noch zu hören, dann legte sich bleierne Stille über den Titan.
    „Wie spät?“
    Jennifer Jordan warf einen Blick auf die Uhr. „Zwölf Uhr elf, Sir.“ Noch hundertundneun Minuten. Dann würde in der Galaxie die neue Sonne aufgehen. Ich sah sie an. Sie war damit beschäftigt, ihr zerzaustes Rabenhaar zu einem neuen Knoten zu ordnen.
    „Was ist?“ fragte ich. „Wollen Sie nicht aussteigen aus unserem Unternehmen?“
    Ihr Blick begegnete ruhig dem meinen.
    „Sie übersehen, Sir: Sie sind derjenige, der mitgekommen ist. Es ist von Anfang an mein Unternehmen gewesen. Sie hätten daheimbleiben sollen, wenn Sie glauben, daß der Preis zu hoch ist.“
    Lieutenant Levy hatte wieder einen seiner Anfälle von Galgenhumor.
    „Der Preis des Unternehmens“, verkündete er, „ist Erleuchtung. Unser harrt eine besonnte Zukunft.“
    In mir hatte er einen schlechten Gesprächspartner. Ich zerbrach mir den Kopf über einen Ausweg. Ich hinkte mit unkoordinierten Bewegungen von einer Ecke in die andere und suchte den Beton nach einer Schwachstelle ab. Es war mir gleichgültig, ob ich dabei wirkte wie der Storch im Salat.
    Die Zeit rann und rann. Mir war, als könnte ich die Minuten tropfen hören. Irgendwann begannen wieder die Wände zu dröhnen. Lieutenant Levy und ich tauschten einen raschen Blick. Es war klar, was sich zutrug: Die heisere Stimme hatte sich durchgesetzt. Die Astral kehrte zurück.
    Seebeck, hatte es geheißen, ist ein gefährlicher Gegner, immer noch. Man muß ihn zur Strecke bringen, bevor er mit dem FriedmanMaterial an die Öffentlichkeit tritt und einen Skandal entfesselt. Skandale sind abträglich für das Geschäft. Und: wie wird das Parlament reagieren, sobald es die Wahrheit erfährt? Aber um Seebeck mundtot zu machen, brauchen wir seine Spur.
    Im Gang, auf der anderen Seite der verriegelten Tür, wurde es laut. Stimmen und schwere Schritte. Lieutenant Levy kam heran und drückte mir die Hand. Auch Jennifer Jordan tat das.
    Der Riegel fuhr zurück, die Tür flog auf, und Captess Kato betrat den Raum.
    Captess Kato verneigte sich tief auf japanisch. In ihrer Heimat war das Sitte, und ich hatte mich damit abgefunden, von ihr auf diese Weise begrüßt zu werden.
    „Sir“, sagte sie, „um ein Haar hätte ich die Hoffnung aufgegeben. Vor Kummer um Sie bin ich beinahe entschlafen.“
    Über ihrer Schulter zeigte sich ein vertrauter Graukopf. Lieutenant Stroganow beeilte sich, mich ins Bild zu setzen.
    „Ungelogen, Sir“, sagte er.
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