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Weltraumpartisanen 18: Sirius-Patrouille

Weltraumpartisanen 18: Sirius-Patrouille

Titel: Weltraumpartisanen 18: Sirius-Patrouille
Autoren: Mark Brandis
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Woche. Eine zweite, dritte, eine vierte Woche schloß sich an. Seebeck hatte mehr und mehr das Empfinden, einzutauchen in eine andere Dimension – in eine Dimension ohne Maßstäbe. Die Invictus lag unbeirrbar auf Jupiter-Kurs – aber selbst das war kein Maßstab, war keine Markierung, an der man sich festhalten konnte, wenn es einen schwindelte angesichts der Leere, in der man sich verloren hatte. Es war und blieb ein Abstraktum: vom Verstand zwar zur Kenntnis genommen, von den Sinnen jedoch nicht erfaßt.
    Seebeck unternahm den Versuch zu schreiben, seine Gedanken und Empfindungen zu ordnen, doch die Worte wurden zu Seifenblasen, die im Unfaßbaren zerplatzten. Es waren Worte aus einer anderen, aus einer zurückgelassenen, fast schon vergessenen Welt, irdische Worte, die nicht ausdrückten, was es über diese neue Dimension zusagen gab: über die leeren Räume, über das Nichtvorhandensein von Zeit, über die eisige Einsamkeit, der man ausgesetzt war wie einer unentrinnbaren Strahlung.
    Die Worte versagten, die Phantasie versagte. Leere Räume … Und nie ein anderes Schiff. Nichts, worauf der Blick sich ausruhen konnte. Das hatte mit den hergebrachten Begriffen groß oder weit oder gewaltig nichts mehr zu tun. Das war etwas anderes – ein Schritt über die Schwelle des Begreifbaren.
    Die Invictus, das schnellste Schiff der EAAU, lag auf Jupiter-Kurs. Man konnte mit den Mitteln der Technik ihre Bewegung messen – in Kilometern, in Raummeilen. Zurückgelegte Entfernungen wurden auf den Karten eingetragen, und noch zurückzulegende Entfernungen abgesteckt: Strecken, Hyperbeln, Parabeln. Doch in Wirklichkeit, für ihre Besatzung, stand die Invictus still, festgefroren in der Ewigkeit, und nur die Sternbilder, unter denen man lebte, in einem gleißenden Einerlei von samtschwarzen Himmeln und gleißendem Licht – nur die Sternbilder wandelten sich mit aufreizender Langsamkeit.
    Man führte Gespräche.
    Da Seebeck mit Lieutenant Stroganow die Kammer teilte, blieb es nicht aus, daß der grauhaarige Sibiriak zu seinem bevorzugten Gesprächspartner wurde. Man führte Gespräche, die am Ende immer auf Fragen hinausliefen, auf die es keine Antwort gibt. Der Mensch selbst wurde zur Frage; jeder für sich. Seebeck, der dieser Frage zeitlebens ausgewichen war – im Glanz der Erfolge, im Taumel der Geschäftigkeit –, spürte, wie er unausweichbar auf sich selbst zurückgeworfen wurde: auf sein nacktes Ich. Dann und wann, wenn die Selbstgespräche zu laut wurden, schreckte er auf und zweifelte an seinem Verstand.
    Er suchte Rat bei Commander Brandis, dem Sternbewanderten, dem Erfahrenen.
    Einmal, im Cockpit, unter vier Augen, verstört durch den strengen feierlichen Glanz der viel zu nahen Sterne, sprach er es aus: »Eine Frage, Commander. Ich hoffe, Sie können Sie mir beantworten. Was ich wissen möchte, ist dies: Wozu dieser ganze Aufwand – immer größere Schiffe, immer schnellere Schiffe … Schiffe, die eintauchen in die Unendlichkeit? Oder, anders gefragt: Was sucht der Mensch im Raum?«
    Commander Brandis schwieg. Er hatte die Rückenlehne des Sessels zurückgeklappt, und sein Blick ruhte, während er über die Antwort nachsann, auf dem funkelnden Schleier des Andromeda-Nebels. Als er sich Seebeck schließlich zuwandte, lächelte er.
    »Nun«, sagte er, »ich glaube, der Mensch sucht auch hier, was er immer gesucht hat – Antworten auf seine Fragen.«
    Seebeck fühlte sich geprellt.
    »Und würden Sie behaupten, er würde die Antworten hier eher finden als auf der Erde?«
    Commander Brandis’ Lächeln erlosch. Seebeck hatte auf einmal das Gefühl, daß hier einer zu ihm sprach, der mehr als einmal durch die Wüsteneien der Einsamkeit gegangen war.
    »Ich weiß nicht, ob er die Antworten findet, Mr. Seebeck. Vielleicht kommt es darauf auch gar nicht an – auf die Antworten. Ich weiß nur, daß hier draußen die besseren Fragen gestellt werden.«
    Commander Brandis erhob sich; für ihn war es an der Zeit, den üblichen Kontrollgang durch das Schiff zu machen.
    Seebeck blieb allein zurück. Allein im Cockpit. Allein unter Sternen.
    Was ist der Mensch? dachte er. Was ist der Mensch im Angesicht der Ewigkeit? Staub, der wieder zu Staub wird. Eine Erscheinung … Oder?
    Irgendwann in der fünften Woche, am frühen Nachmittag gemäß Borduhr, schrillten die Alarmglocken. Seebeck, der versucht hatte zu ruhen, ohne jedoch Schlaf zu finden, fiel fast aus der Koje vor Hast und vor Aufregung darüber, daß endlich etwas
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