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Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Titel: Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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nicht?«
    »Tuberkulose.«
    »Noch virulent?«
    »Ausgeheilt – nach dem letzten Kliniktest.«
    »Was Ihre Suche nach einem Job anbetrifft, Mahan, nun, wir haben nicht für jeden jungen Mann den gewünschten Kuchen bereit. Hier im Büro ist überhaupt keine Stelle für Sie frei.«
    Der junge Indianer sagte dazu nichts. Carr versuchte, in dem mageren Gesicht zu lesen, aber es wirkte wie eine ausdrucksleere Maske, und die Augen konnte Carr nicht in seinen Blick bekommen. Der Mann war ihm unangenehm. Unzugängliche Leute blieben immer verdächtig, und die Situation auf den Reservationen war gespannt. Carr beschloß, diesen Bewerber nicht aus der Kontrolle gleiten zu lassen, unter der er sich in Internat und College befunden hatte. Er wollte gleichzeitig Miss Bilkins durch praktische Erfahrungen, die sie in ihrem eigenen Ressort zu machen haben würde, belehren. Der Superintendent blätterte in Akten und fand, was er gesucht hatte.
    »Miss Bilkins, in der 3. Tagesschule ist eine Stelle als Erzieher für die Beginnerklasse frei. Der Bewerber hier spricht englisch. Meinen Sie nicht auch, daß er es den Vorschulpflichtigen beibringen kann? Das denken Sie auch, nicht wahr? Nehmen Sie an, Mahan?«
    Der Indianer wartete die Länge eines Atemzuges, dann sagte er zu dem überraschenden Vorschlag sehr leise, aber verständlich: »Yes.«
    »Vielleicht noch den Sport dazu – nachmittags – Sie sind unverheiratet? – Also den Nachmittagssport an dem Internat; das mit der Tagesschule verbunden ist – sind Sie Sportsmann?«
    »Nein.«
    »Bei Ihrer Figur hätten Sie Professional als Sprinter, Langstreckenläufer oder Basketballer werden können, meinetwegen auch als Rodeoreiter; dabei wären Sie eher gesund geblieben in Chicago. Nun, Sie sind ein Spätentwickler. Machen Sie mit 50 Jahren Ihre Goldmedaillen und Ihren Sieg im großen Rodeo von Calgary. Wie ein Cowboy sind Sie heute schon angezogen. In der Schule werden Sie aber in Zivil erscheinen. Der Frisör für Indianer hier hat seinen Laden linker Hand um die Ecke. Im Internat werden Sie Gelegenheit haben, sich die Haare regelmäßig schneiden zu lassen.«
    Der Indianer sagte nichts.
    »War es in Ihrem College gestattet, die Haare lang zu tragen?«
    »Yes.«
    »An unseren Schulen hier unterbleibt das.«
    »Yes, Sir.«
    Chester Carr hatte durchaus nicht gelächelt. Alle seine Bemerkungen waren keine Witze, sondern Tadel gewesen. Er nahm das »Yes, Sir« hin, obgleich er fühlte, daß ihn der Indianer damit ironisierte. Carr schloß die Unterredung ab, legte die Papiere zusammen und beiseite und bedeutete dem Indianer stillschweigend und unfreundlich, daß er zu gehen und draußen zu warten habe. Er selbst wollte noch einmal mit seiner Dezernentin sprechen.
    »Der Bursche gefällt mir immer weniger, Miss Bilkins. Besorgen Sie sich Informanten, die ihn laufend beobachten und Ihnen berichten.«
    Als die blonde Dezernentin für das Schulwesen nach dieser Anweisung das Amtszimmer des Superintendent verließ, fand sie Hugh Mahan im Vorraum. Er hatte also den Wink des Superintendent verstanden und auf sie gewartet.
    »Ich verständige den Rektor der dritten Dayschool«, sagte sie eine Nuance freundlicher, als die Amtssprache es üblich machte. »Suchen Sie übermorgen das Rektoratssekretariat auf, um 7:30; man wird Sie einweisen. Sie wohnen vorläufig im Internat, die Lehrerhäuser sind alle belegt.«
    »Yes.«
    Der Indianer setzte den Cowboyhut wieder auf und schickte sich an, das Dienstgebäude zu verlassen. Er machte mit dem Fuß eine kleine Bewegung, als ob er etwas austrete, vielleicht den letzten Funken einer Zigarette, die ein alter zahnloser Indianer hier unerlaubterweise geraucht und weggeworfen hatte. Miss Bilkins schaute ihm dabei zu und erschrak ohne sichtlichen Grund plötzlich derart, daß sie beschloß, den Lunch zusammen mit ihrer Kollegin Carson vom Wohlfahrtsdezernat einzunehmen und sich bei ihr auszusprechen.
     
    Missis Kate Carson, Witwe, blondiert, füllig, aber nicht dick, war bei allen Kollegen beliebt, bei ihren Vorgesetzten jedoch weniger. Als Miss Bilkins mit roten Flecken auf den Wangen bei ihr im Dienstzimmer erschien, schloß sie Dienstgeschäfte und Schiebfächer sofort ab und lud Eve zum Lunch bei sich zu Hause ein.
    Kate Carson bewohnte das kleinste der Beamtenhäuser in der Agentursiedlung und hatte es, von der Regel abweichend, nach eigenem Geschmack eingerichtet.
    Bei Tee, Aufschnitt, Butter und Toast glättete sich Eves Miene wieder; ihr Puls ging
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