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Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Titel: Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Bulle«, erklärte der Fahrer.
    Carr wartete eine Viertelstunde. Auch der Bulle hatte Geduld. Nur seine Schwanzspitze bewegte sich leicht und verriet irgendeine Gedankenbewegung in dem mächtigen Kopf, in dessen dunkler Behaarung die Hörner fast verschwanden.
    »Warum fahren Sie nicht weiter?« fragte Chester Carr. Er hatte da und dort in Naturschutzgebieten schon Büffel gesehen; sie hatten abseits der Straße friedlich geweidet, und er war ihnen nie zu nahe gekommen.
    »Es ist ein junger Bulle, aggressiv«, sagte der Fahrer. »Er mag uns nicht.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Die Schwanzspitze. Achten Sie auf die Schwanzspitze, Sir.«
    »Nennen Sie mich nicht ›Sir‹, Larry. Hawley war Sir. Old England, immer noch zu viel Old England. Ich bin Mister Carr. Das ist mein Grundsatz.«
    »Yes, Sir.« Larry fand nicht sogleich aus der lebenslangen Gewohnheit hinaus, jeden Vorgesetzten mit »Sir« anzusprechen.
    Carr gab seinen Protest gegen die Anrede auf.
    »Wollen Sie warten, Larry, bis es dem Vieh heute abend einfällt weiterzutraben?«
    »Büffel lassen sich nicht treiben, Mister Carr. Im Park der Hills bringen die Cowboys die Büffelherde nur durch ein Stampedo vorwärts. Zu Pferd natürlich. Mit Schießen, Knallen und Schreien.«
    »Wem gehört das Vieh hier?«
    Während Chester Carr fragte, gewann er beim Anblick des Bison mehr und mehr den Eindruck, daß dieses Ungetüm der Prärie seinem Wagen wesentlich schaden konnte, wenn es sich nur dazu entschloß.
    »Larry, wem gehört das Tier?«
    »Joe.«
    »Das ist ein weißer Pacht-Rancher?«
    »Ein Indianer.«
    »Oh.«
    »Ja. Er kann mit Büffeln umgehen.«
    »Vielleicht auch nicht. Sonst würde er uns nicht einen Bullen auf die Straße stellen.«
    »Nun, er kann nicht überall sein. Tom und Percival sind zur Armee eingezogen, und Bob sitzt im Gefängnis. Robert ist noch da. Aber ein Rancher und ein einziger Cowboy sind nicht genug für die Kuh- und Büffelherde.«
    »Dieser Joe hält sich Cowboys?«
    »Indian-boys.«
    »Hm.«
    Carr fand sich darein, weiterhin zu warten. Nach etwa zehn Minuten ließ sich von fern Hufschlag im Galopptakt hören aus der Richtung, aus der Carr mit seinem Wagen gekommen war. Die Hufe schlugen nicht die Straße, sondern den trockenen Wiesenboden. Ein tiefer, tierisch wirkender Ton klang dazu auf und vibrierte durch Chester Carrs Nerven. Es krachte und knallte. Der Büffel wurde unruhig, hob den Kopf, äugte. Der Reiter stob heran, setzte über den Zaun, der Bulle brach aus, wendete, flüchtete. Der Reiter war jetzt auf der Straße hinter ihm her. Carr hatte ein Scheckenpferd und einen schlanken großen Reiter mit schwarzem Cowboyhut erkannt; wenn er unter Eid befragt worden wäre, hätte er gesagt, daß die Hände des Mannes braunhäutig gewesen seien.
    »Das war Joe«, sagte der Fahrer und startete den Wagen.
    Bulle und Reiter waren schon hinter der nächsten Kurve verschwunden.
    »Was wissen Sie von diesem Joe?«
    »Joe King. Ein erfolgreicher junger Rancher. Der beste Rodeoreiter und der beste Schütze der Reservation.«
    »King…?« Chester Carr holte seinen Kalender hervor und machte eine Notiz. Er erinnerte sich, daß er in den Akten, die zu studieren seine erste Obliegenheit gewesen war, eine Eintragung neuesten Datums über einen Joe King gefunden hatte. Der Mann sollte wegen irgendeines haarsträubenden Vergehens, für das man ihn nicht vor Gericht bringen konnte, von der Superintendentur zurechtgewiesen werden.
    Carr nahm sich vor, diese Angelegenheit so bald wie möglich zu erledigen.
    »Larry, womit hat dieser Meisterschütze der Reservation geschossen? Konnten Sie es erkennen?«
    »Er hat nicht geschossen, Sir, er hat mit der Hirtenpeitsche geknallt. Wenn ein hiesiger Cowboy mit der Peitsche knallt, klingt es wie ein Schuß.«
    Chester Carr kannte von der Reservation, die er zuvor verwaltet hatte, nur Schafhirten und Schafherden. Er mußte also dazulernen. Doch hatte Larry behauptet, daß die Cowboys im Hill-Park ein Stampedo mit Schüssen einleiteten. Die Frage des Superintendent erschien also nicht völlig abwegig. Immerhin war er einem Irrtum unterlegen. Mit unbefriedigten, nahezu gereizten Gefühlen schloß Chester Carr das Notizbuch, ohne sich vorher zu erkundigen, warum der Cowboy Bob des Joe King im Gefängnis sitze. Warum wohl! Wegen Trunkenheit, Diebstahls oder Gewalttätigkeit, wegen irgendeines dieser typisch indianischen Verbrechen.
    Auf der Weiterfahrt ergab sich nichts Neues oder Besonderes mehr, und eine
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