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Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Titel: Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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schuldig!«
    »Der rote Gangster!«
    »Sehen Sie sich doch die Ranch an und seine kleinen Kinder. Sie gehen in unsere Schule und gehören zu den besten Schülern. Byron ist ein anomaler Epileptiker, dessen Mutter im Irrenhaus gestorben ist. Missis King hat ihn aus Barmherzigkeit aufgenommen, und nun soll sie ihren Mann dafür verlieren! Haben Sie nicht Missis Queenie King im Zeugenstuhl gesehen und verstanden, daß sie zu uns gehört? Was heißt ›rot‹! Der Angeklagte spricht wie ein Indianer, das ist wahr. Aber sind wir – wir, die hier sitzen – Amerikaner oder nicht? Gleiches Recht für alle, ohne Ansehen der Hautfarbe und der Religion. Das ist die Grundlage der Integration aller Nationalitäten in unsere große Nation, ja?«
    »Selbstverständlich sind wir wahre Amerikaner, und wir sind gerecht, Miss Green. Aber der Angeklagte hat einen Mann erschossen, und das nicht zum erstenmal. Unverdient ist die Strafe keinesfalls.«
    »Was für Argumente, Mister Gray, schämen Sie sich nicht? Rollen wir alte Prozesse auf, wozu wir gar nicht berechtigt sind, oder besprechen wir den unseren hier? Jeder amerikanische Bürger hat das Recht zu schießen, wenn ein Leben unmittelbar bedroht erscheint, Irrtum eingeschlossen. Dafür gibt es in unseren Gerichtsurteilen genügend Beispiele. Wer von Ihnen würde nicht schießen, wenn er das Leben seines Kindes unmittelbar bedroht glaubt? Bitte – wer?«
    »Was für ein Eifer, Miss Green. Sie lassen sich von Gefühlen leiten.«
    »Mein Gewissen spricht. Der auferstandene Christus ist auch den Indianern erschienen. Unsere Gerechtigkeit muß auch für sie gelten, denn sie kehren aus der Verlorenheit zurück. Wollen Sie mir vorwerfen, meine Herren, daß ich eine Frau bin? Das wäre unzeitgemäß und Material für unsere Frauenrechtlerinnen. Ich bin auch nicht zum erstenmal als Geschworene berufen. Sprechen wir doch den ganzen Sachverhalt endlich durch, das haben wir noch nicht getan, und das ist weder eines Mannes noch einer Frau würdig.«
    »Die Argumente von Miss Green müssen genau durchdiskutiert werden«, sagte Laughlin. »Miss Green gibt niemals nach, ohne überzeugt zu sein. Übrigens bringen wir auch uns selbst in einem künftigen Falle in große Verlegenheit, wenn wir einen amerikanischen Bürger verurteilen, weil er in Notwehr geschossen hat. Es bleibt die Frage: Können wir nachweisen, daß Notwehr ausgeschlossen war? Und daß Joe King das erkennen mußte? Das Zeugnis von Missis Mabel Mac Lean fällt vollständig aus. Bei solchen nervösen Schießereien, über die keine zuverlässigen Aussagen vorliegen, ist es schon zur Gepflogenheit geworden, alle zu verurteilen oder alle freizusprechen. George Mac Lean haben wir freigesprochen.«
    »Also noch einmal von vorn.«
    »Das läßt sich leider nicht vermeiden. Wir müssen die Einstimmigkeit erreichen.«
    Mit einem kleinen Lächeln reagierten einige der Geschworenen, die sich erinnerten, daß die hartnäckige Lady Mormonin war. Die meisten aber waren sehr ärgerlich.
    Die Beratung begann von neuem.
    Unterdessen saßen die entlassenen Zeugen Julia, Queenie und Wakiya zusammen. Julia kauerte auf ihrem Platz. Sie hatte die Schultern zusammengezogen und den Kopf gesenkt.
    »Was ist mit dir?« fragte Tashina leise.
    »Nichts.«
    Queenie Tashina zog sich wieder in sich selbst zurück. Sie dachte nichts als Joe – Joe Inya-he-yukan. Er hatte stolz gesprochen, und sie hatte in den Mienen der Geschworenen gelesen, daß sie ihn töten wollten. Wakiya legte seine Hand auf die ihre. Der Gedanke, daß er Joe durch sein Verhalten in diese Not gebracht hatte, lag schwer auf ihm.
    Tatokala ertrug es nicht, länger untätig zu warten.
    »Hilf mir, Wakiya«, sagte sie. »Wir schreiben den Bericht über die Verhandlung. Jetzt, sofort. Alle Menschen müssen die Wahrheit erfahren.«
    »Wir, Tatokala?«
    »Du kannst wie ein Dichter und wie ein Rechtsanwalt sprechen, Wakiya. Sprich, und ich schreibe.«
    Wakiya versank in sich und sprach. Er sprach zwei Berichte, einen für die weißen und einen für die roten Männer und Frauen. Julia Bedford schrieb: danach hoben sich ihre Schultern, und sie schaute wieder geradeaus.
    »Es fehlt das Urteil«, schloß sie so kühl, daß der Krampf ihrer Erwartung und Erregung eben dadurch fühlbar wurde.
    Erst nach langen Stunden war die Beratung der Geschworenen beendet. Der Gerichtssaal füllte sich wieder. Joe King wurde hereingeführt, auch jetzt in Handschellen. Er sah Tashina und seine Freunde an. Keiner
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