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Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Titel: Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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seine Jeans, niedrige Stulpenstiefel, sein lederfarbenes Hemd und eine Lederweste darüber. Das indianisch gestickte Band war um seine Stirn gelegt und hielt das dichte schwarze Haar, das knapp bis zum Nacken fiel.
    Hugh Mahan erhielt seine Anweisungen und sagte »yes«. Er konnte mit seinem kleinen Koffer in einen Raum mit vier Schlafstätten gehen; je zwei waren übereinandergebaut. Auf einer der unteren lagen Matratze und Bettzeug für Hugh; an der Wand standen die vier schmalen Schränke, alle unbelegt. Der allgemeine Duschraum befand sich nebenan.
    Hugh dankte dem Schüler, der ihm den Raum gezeigt hatte, mit einem Kopfnicken, stellte sein Köfferchen in einen der Schränke und ließ sich zu dem Schulraum geleiten, in dem fünf Mädchen und neun Jungen unter Aufsicht von Evelyn Hay auf ihn warteten.
    Es befanden sich eine Tafel im Raum und zwei Gestelle mit Fibeln, Bilderbüchern, Zusammensetzspielen und Matten, die man als Sitzgelegenheiten auf den Boden legen konnte. Stühle oder Tische waren nicht vorhanden. Die vierzehn Kinder waren sieben bis acht Jahre alt, braunhäutig, schwarzhaarig, dunkeläugig. Sie standen mit herabhängenden Armen und Händen da; sie hatten gelernt, daß man in diesem Haus auf diese Weise vor den Lehrern stehen mußte. Hugh wußte das nur zu gut. Ein Junge erschien verstört, die anderen störrisch. Die Mädchen wirkten abwesend; nur ihre Körper waren da, nicht ihre Psyche. Vielleicht träumten sie vom Mond. Evelyn Hay konnte das nicht wissen und nie erfahren. Aber jetzt kamen die ungewissen Gedanken der Kinder aus der Ferne wieder herbei, und sie schauten alle auf den groß gewachsenen Indianer, der ein indianisches Stirnband trug, und er beantwortete ihre stumme Frage mit einem beredten Blick. So, wie er den Schüler verabschiedet hatte, verabschiedete er jetzt auch die junge Lehrerin, mit einem Kopfnicken und einem »o. k.«. Sie hatte vorgehabt, ihrem neuen Kollegen ihre zusätzlichen Anweisungen und Wünsche vorzutragen, und sie wußte selbst nicht, warum sie das unterließ und auf sein »o. k.« hin einfach ging. Er war ein merkwürdiger Mensch. Sie hatte sich von seinem Verhalten bestimmen lassen.
    Hugh Mahan wandte sich den Kindern zu. Diese Jungen und Mädchen hatten ein großes Erschrecken und eine große Scham hinter sich; sie hatten in ihrer Klasse das Ziel nicht erreicht, und nun waren sie das zweitemal herausgenommen und wieder zu Beginnern gemacht worden. Zwei Jahre länger als die anderen mußten sie in das Schulgefängnis gehen und den Watschitschun gehorchen. Diese Kinder hatten schon gelernt, sich zu verschließen. Vielleicht ahnten sie auch schon, was hassen heißt. Hugh sprach die Kinder mit leiser Stimme an. Er durfte nicht in ihrer Muttersprache mit ihnen sprechen, das hatten die Watschitschun streng verboten. Aber die Sprache der Sieger und Vormunde klang aus seinem Munde anders, sanfter, ruhiger und zugleich herber; auch in der Fremde hatte sich dieses besondere Klingen nicht verloren, das die weißen Männer einen Akzent nannten. Die Kinder verstanden den Mann aus ihrem Stamm. Eines begann sich zu rühren, dann das nächste, sie lebten auf. Er spielte mit ihnen. Seine Hände waren behutsam und geschickt, so, wie die der Kinder, und sie wußten nicht, daß sie von ihm lernten.
    Um zwölf Uhr rief die Klingel zur Mittagspause. Man hatte Hugh Mahan nicht zu sagen brauchen, was zu tun sei, er wußte es. Wie alle Lehrer und Erzieher, so ordnete auch er seine Schützlinge in einer Reihe, ein Kind hinter dem anderen, und ging mit ihnen schweigend zu der großen Essenshalle. In dem lichten Raum standen lange Tische und viele Stühle genau ausgerichtet bereit. Rektor Snider hatte sich eingefunden und überwachte alle Vorgänge mit dem gewohnten Blick, der dem eines Offiziers glich, der seine Truppe antreten sieht.
    Lehrer und Kinder stellten sich an der Essenausgabe an; jeder Lehrer und jedes Kind nahm sich ein Tablett und erhielt der Reihe nach Buletten aus Büffelfleisch, das die Verwaltung der Büffelherden in den Hills für die Schulen lieferte; dazu Kartoffeln, Gemüse, Süßspeise mit Vanillesoße und ein Glas Milch. Das Essen mußte aufgegessen und das Glas Milch ausgetrunken werden; das wußten die Kinder.
    Hugh Mahan saß mit seinen vierzehn Zöglingen an einem Tisch, an dem sich noch ein zweiter Erzieher mit seinen fünfjährigen Beginnern eingefunden hatte. Er hieß Warrior, Ron Warrior. Hugh Mahan blieb schweigsam. Auch der andere vermied, Hugh beim
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