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Weller

Weller

Titel: Weller
Autoren: Birgit
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Richtung Fenster. »Die Bullen lassen nicht locker. Die haben herausbekommen, dass ich Marlen gekannt habe. Ich war doch in ihrem Fotokurs im Filmbüro.«
    Die tote Studentin. Marlen Hausmann. Ich spüre, wie Unmut in mir aufwallte. »Und du hast das in der ersten Vernehmung vermutlich nicht angegeben.«
    »Natürlich nicht. Bin doch nicht bescheuert.«
    Ich stieß einen lang gezogenen Pfiff aus. Deswegen wollte sich bei der Kripo niemand Zorn gegenüber bedeckter halten. Er war zu einem ernsthaft Verdächtigen im Mordfall der toten Studentin avanciert.
    ***
    Er ließ sich von dieser Schlampe doch nicht seine Werke kaputtmachen. Was hatte sie denn geglaubt? Dass er freundlich blieb, es ertrug, wie sie seine Werke verlachte, ihren Schöpfer demütigte? Nachdem sie erst Interesse geheuchelt hatte. Er hatte schon immer gewusst, dass diesen intellektuellen Weibern nicht zu trauen war. Sie schmeichelten sich bei einem ein, wiegten so einen wie ihn in Sicherheit, um dann aus dem Hinterhalt ihre ganze Verachtung, ihren ätzenden Hochmut über ihm auszukippen. So wie er nun seine Verachtung über sie gekippt hatte.
    Er nahm einen Schluck aus der Schnapsflasche und betrachtete seine letzten Werke, die ungerahmt an der Wand des Zimmers hingen, in das nur er kam, in das er – bis auf ein einziges Mal – niemanden einließ. Die Frauenporträts. Lisa, Tina, Mandy. Alle sahen sie ihn an, gehörten ihm, ihrem Schöpfer. Er wusste, dass er etwas konnte. Er war ein geborener Künstler. Nicht so einer von diesen studierten Spinnern – nein, ein Mann des Volkes, dessen Kunst aus dem Bauch kam. Ehrliche Kunst. Kraftvoll und ungekünstelt. Er hob die Beine aus dem Bett und richtete sich auf. Auch Marlen würde bald hier hängen. Dann könnte er sich immer an diesen köstlichen Moment erinnern, als ihr die Säure das aufgeblasene Gesicht zerfressen hatte. Einerseits verfluchte er den Tag, an dem er ihr seine Werke gezeigt hatte, andererseits hatte ihm ja erst die Bekanntschaft mit ihr dieses sensationelle Gefühl verschafft, das ihn überkam, als er sie ausgelöscht hatte. An diesen Kick kam einfach nichts heran, nicht einmal das, was er beim Produzieren seiner Kunst empfand. Er sperrte diese Kreaturen, nicht mehr nur als Schöpfer in seine Werke – nein, seit Kurzem wusste er, dass er auch in der Lage war, sie zu zerstören, wenn er es wollte. Es war wie ein Rausch. Ein Rausch ohne Kater am nächsten Tag.
    ***
    Das Laufwerk rappelte einen Moment, dann öffnete sich auf meinem Bildschirm das Fenster, in dem ich auswählen konnte, was der Rechner nun tun sollte. Als wäre ich ein Jugendlicher, der sich im Internet heimlich Pornos ansieht und dessen Mutter jeden Moment ins Zimmer kommen könnte, klopfte mein Herz schneller. Kalle hatte ich nach Hause geschickt. Die Fotos zusammen mit ihm anzusehen, kam nicht in Frage. Das hätte mir doch allzu sehr nach Kumpelei geschmeckt. Fehlte nur noch, dabei zusammen Bier zu trinken und die Vorzüge der Damen zu kommentieren. Ich war damals zwar generell der Meinung, durch Nähe mehr zu erreichen als durch Distanz, aber eine solche Situation war mir doch zu heikel. Ich wusste ja nicht, was für Zeug mich auf dieser CD erwartete. Lubinskis ungewöhnlich engagiertes »Die braucht mein Kumpel aber wieder« hatte ich mit einem müden Winken quittiert und ihn bis zu unserem nächsten Termin verabschiedet. Der virtuelle Ordner mit dem Inhalt des unbenannten Datenträgers öffnete sich und ich sah eine Vielzahl kleiner Fotosymbole. Sie waren sämtlich namenlos, beziehungsweise nur mit einer kryptischen Ziffern-Buchstabenfolge bezeichnet. Ich klickte auf das erste. Eine dunkle Szenerie, Dämmerung oder Morgengrauen. Im Vordergrund Büsche, am rechten Bildrand ein Teil einer Schuppen- oder Garagenwand. Durch das unbelaubte Geäst schimmerte ein hell erleuchtetes Terrassenfenster im Erdgeschoss eines Hauses. Im Fensterausschnitt die Silhouette einer Frau, die mit erhobenen Armen dastand, sich gerade ein Kleidungsstück über den Kopf zog. Sie war nackt, die Spitzen ihrer kleinen Brüste ragten in die Höhe. Das nächste Foto zeigte dasselbe Motiv, doch hatte der Fotograf herangezoomt. Im Hintergrund des Zimmers sah ich einen offen stehenden Kleiderschrank, daneben einen Wandkalender. Der Kopf der Frau war noch immer unter dem zartblauen Hemd verborgen. Doch um ihr Gesicht war es dem Fotografen nicht gegangen. Die Bildmitte füllte ihr Körper aus. Ihre Brüste, der flache Bauch, das Schamhaar. Er hatte aus
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