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Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Autoren: James Lee Burke
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Étoufée- Schale. »Vielleicht hat es aber auch etwas mit Bobby Earl zu tun. Ein Typ wie der, der vergißt es nicht, wenn ihn jemand an der Krawatte durch den Salat zieht.«
    »Ha, ein großes Lächeln zieht über das Gesicht unseres Meisterdetektivs.«
    »Das wäre prächtiges Material für die Abendnachrichten gewesen.«
    Sie beugte sich über mich, drückte meinen Kopf an ihren Busen und küßte mein Haar. Dann nahm sie mir gegenüber Platz und machte sich daran, einen Krebs zu schälen.
    »Hast du nach dem Essen etwas vor?« fragte sie.
    »Hast du was Bestimmtes im Auge?«
    »Man kann nie wissen.« Sie sah auf, ein Lächeln in den Augen.
    Ich bin einer der wenigen Menschen, die mir über den Weg gelaufen sind, der zweimal in seinem Leben eine neue Chance bekommen hat. Nachdem ich diverse Jahre damit zugebracht hatte, mich dem Suff und der Selbstzerstörung hinzugeben, wurde ich schließlich wieder nüchtern und fand sogar meine Selbstachtung wieder. Das verdanke ich ohne Zweifel einer höheren Macht, wie man das bei den Anonymen Alkoholikern nennt. Und nach dem Mord an meiner Frau Annie trat völlig unerwartet Bootsie Mouton wieder in mein Leben, als sei die Zeit stehengeblieben und es wäre wieder der Sommer von 1957, als wir uns bei einem Tanzfest draußen am Spanish Lake kennenlernten.
    Ich werde nie vergessen, wie ich sie das erste Mal küßte. Es war in der Abenddämmerung unter den großen Eichen am Bayou Teche in St. Martinville, und der Himmel war lavendelfarben und rosa und am Horizont durchzogen von leuchtenden Feuerstreifen. Sie blickte hoch in mein Gesicht wie eine aufgehende Blume, und als unsere Lippen sich berührten, drückte sie sich an mich, und ich spürte die Wärme ihres sonnengebräunten Körpers und begriff mit einem Schlag, daß ich keine Ahnung gehabt hatte, was ein Kuß sein konnte. Sie öffnete und schloß ihren Mund, erst ganz langsam, dann immer weiter, drehte den Kopf, hob das Kinn, und ihre Lippen waren trocken und weich, ihr Gesicht voll Vertrauen und Gelassenheit und Liebe. Als sie ihren Kopf an meinen lehnte, konnte ich kaum schlucken, und die Leuchtkäfer zogen hinter sich Netze von rotem Licht durch das schwarzgrüne Gewirr der Eichenäste über unseren Köpfen, und das ohrenbetäubende Gezirpe der Zikaden erfüllte den Himmel von Horizont zu Horizont.
    Ich aß nicht mehr weiter und trat hinter ihren Stuhl. Ich beugte mich zu ihr und küßte sie auf den Mund.
    »Was für Gedanken tummeln sich nur heute morgen in deinem Kopf?« sagte sie.
    »Du bist die Beste, Boots«, sagte ich.
    Sie sah zu mir auf, und ihre Augen waren gütig und weich, und ich berührte mit den Fingern ihr Haar und ihre Wange.
    Dann sah sie in Richtung der Straße vor dem Haus aus dem Fenster.
    »Wer ist denn das?« sagte sie.
    Ein silbern lackierter Cadillac mit Fernseh- und CB-Funk-Antennen und Scheiben, die fast schwarz getönt waren, bog von der unbefestigten Straße am Bayou in meine Auffahrt und parkte unter den Pecanbäumen neben meinem Pickup. Der Fahrer machte den Motor aus, stieg aus und trat in den Hof. Er trug einen Anzug aus einem glänzenden Anthrazitgrau, ein blaues Hemd mit Manschettenknöpfen, eine rot-blau gestreifte Krawatte und eine enganliegende schwarze Sonnenbrille. Er nahm die Sonnenbrille vorsichtig mit der rechten Hand ab, die da, wo die zwei untersten Finger hätten sein sollen, nur eine freie Stelle von der Form eines Halbmondes hatte. Er sperrte die Augen weit auf, um sich an die verändernden Lichtverhältnisse zu gewöhnen, und ging durch das Laub und die Pecanschalen auf die Veranda zu. Seine schwarzen Schuhe waren so blank poliert, daß sie genausogut aus Plastik sein konnten.
    »Ist das ...«, begann Bootsie.
    »Yeah, das ist Lyle Sonnier. Er hätte nicht hierherkommen sollen.«
    »Vielleicht hat er’s im Büro probiert, und die haben ihm gesagt, daß du zu Hause bist.«
    »Spielt keine Rolle. Er hätte einen Termin mit mir im Büro abmachen müssen.«
    »Ich wußte nicht, daß du so schlecht auf ihn zu sprechen bist.«
    »Er lebt davon, arme und ungebildete Menschen auszunutzen, die es nicht besser wissen, Boots. Er hat die Hungersnot in Äthiopien dafür verwendet, Spenden für seine Fernsehshow aufzutreiben. Schau dir nur seinen Wagen an.«
    »Psst, er ist schon auf der Veranda«, flüsterte sie.
    »Ich werde draußen mit ihm reden. Es gibt keinen Grund, ihn ins Haus zu bitten. Okay, Boots?«
    Sie zuckte mit den Achseln und sagte: »Wie du meinst. Ich finde, du bist ein
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