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Weißer Teufel

Weißer Teufel

Titel: Weißer Teufel
Autoren: Justin Evans
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kaputte Crack-Pfeifen oder anderer Abfall herum, wie es Andrew erwartet hätte. Es ging bergab und nach links – genau dorthin musste Andrew, also machte er sich auf.
    Ein Laut zerriss die Luft. Ein Knurren, ein Bellen. Andrew erstarrte und sah sich nach der Quelle der Geräusche um.
    Dann fand er sie. Etwa zwanzig Schritte vor ihm hockte ein Mann rittlings auf einem anderen, der flach auf dem Rücken lag. Der Liegende gab diese seltsamen Geräusche von sich. Der Angreifer trug einen langen, viel zu weiten Gehrock mit Frackschößen. Knurrend vor Anstrengung. Das Gesicht des Angreifers erschreckte Andrew. Die Augen quollen aus den tiefliegenden Höhlen – leuchtend blau. Die Haut war gruselig grau. Langes blondes Haar –  fast weiß wie bei einem Albino – hing ihm ins Gesicht. Einmal musste er seine Bemühungen unterbrechen, weil er husten musste, und Andrew hörte wieder den Laut, der ihn angelockt hatte. Das Husten kombiniert mit einem feuchten Klatschen. Der skelettartige Mann wischte sich mit der Hand über den Mund. Dann schaute er auf. Er starrte Andrew an.
    Die blauen Augen durchbohrten Andrew sogar auf die Entfernung. Sie gehörten zu einem jungen Mann. Er wirkte ausgezehrt und krank: Er roch nach Tod.
    Andrew wurde schlecht. Er taumelte zurück, drehte sich um und rannte davon. Doch nach ein paar Schritten hielt ihn etwas zurück.
    Das Opfer. Die Gestalt auf dem Boden.
    Die graue Hose und die schwarzen Schuhe waren Andrew bekannt vorgekommen.
    Sie sahen aus wie Harrow-Kleidung .
    Andrew machte halt und zwang sich kehrtzumachen.
    Er näherte sich. Der Tatort kam in Sicht. Das Opfer lag reglos auf dem Rücken.
    Kein Angreifer. Nichts rührte sich. Schwere Äste, um die sich Ranken schlangen, schirmten den Platz ab. Andrew ging weiter und sammelte mit jedem Schritt mehr Informationen.
    Schwarze Krawatte.
    Graue Hose.
    Weißes Hemd.
    Abgewinkelte Arme, einer lag schützend über der Brust.
    Blut auf der rechten Wange .
    Ein anderer Schreck fuhr Andrew in die Glieder, und er lief zu der liegenden Gestalt.
    Noch ehe er den zerrissenen Harrow-Hut entdeckte, wusste er, dass er einen seiner Mitschüler vor sich hatte. Entsetzt starrte er das Gesicht an. Es hatte all seine Würde verloren: Steinchen und Erdkrümel klebten an Augenbrauen und Lippen. Die Augen waren nach oben verdreht. Der Mund stand offen  – ein Schwimmer, der nach Luft schnappte. Die Haut war durchsichtig weiß – schon jetzt war der Sonnenschein entwichen. Er erkannte den Jungen kaum wieder. Er kniete nieder und griff nach der schlaffen Hand, ließ sie jedoch schnell wieder los. Sie war kalt. Die Nägel hatten sich rötlich grau verfärbt. Da er nicht wusste, was er sonst tun sollte, klopfte Andrew den Körper ab und untersuchte ihn – Hals, Handgelenke, Brust –, er fühlte den Puls, die Atmung, suchte nach irgendeinem Lebenszeichen, als wäre Theo Ryders Leben ein Schlüsselbund, den er durch Abtasten finden konnte.

3

Tod eines Schülers
    Es regnete leicht, aber stetig. Ein Krankenwagen stieß zurück zu der Stelle. Der Rückwärtsgang piepste ein paarmal zur Warnung ; das Blaulicht blitzte. Zwei weiße Polizei-BMWs mit Sirenen und orangefarbenen Streifen blockierten den Zugang zur Church Hill Road. Der Tatort war mit Bändern abgesperrt, und das Team des Coroners tat seine Arbeit. Ein Detective wartete darauf, dass das Team zum Ende kam und seine Kollegin die Vernehmung des Zeugen abschloss. Der Zeuge war ein Teenager, deshalb waren sie übereingekommen, dass seine Partnerin das Verhör durchführte. Der Junge war einer der Schüler mit den Strohhüten, die aussahen, als würden sie in ein anderes Jahrhundert gehören. Dieser hatte langes, schwarzes Haar und war groß – zu erwachsen, um diese Schuluniform zu tragen. Er sieht aus, als könnte er bei AC/DC mitspielen, dachte der Detective lächelnd. Der Junge saß auf dem Rücksitz ihres Dienstwagens, hatte die Beine durch die offene Tür auf den Boden gestellt. Die Polizistin stand vor ihm. Die Körpersprache des Jungen deutete auf einen Schock hin. Er fingerte an seinem Strohhut herum, hielt den Blick gesenkt, murmelte leise und schüttelte immer wieder den Kopf. Der Detective beobachtete, wie seine Partnerin zu der Fundstelle zeigte  – sie versuchte, eine Reaktion zu bewirken und den Jungen dazu zu bringen, mehr preiszugeben. Der Detective verfolgte die Szene aufmerksam. Der Zeuge sah auf, sein Blick zuckte dorthin, wo der Tote gerade in einen Leichensack gestecktwurde.
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