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Weißer Fluch: Band 1 (German Edition)

Weißer Fluch: Band 1 (German Edition)

Titel: Weißer Fluch: Band 1 (German Edition)
Autoren: Holly Black
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mein Blut abgeleckt hat, aber sie sieht auch ganz anders aus. Mit der Zeit sind ihre Wangen dünner geworden und ihre Augen brennen wie im Fieber.
    In diesem Zimmer habe ich so oft an sie gedacht, dass es sich anfühlt, als hätte ich sie heraufbeschworen, eine Fantasie-Lila, die sich auf meinem Bett ausstreckt. In diesem Gefühl von Unwirklichkeit fällt es mir leichter, zu ihr zu gehen, obwohl mein Herz rast.
    » Hast du mich vermisst? « , fragt sie und streckt sich wie eine Katze. Sie lässt das Buch fallen, ohne die Seite zu markieren.
    » Jahrelang « , antworte ich, ausnahmsweise ehrlich. Ich möchte meine bloßen Finger auf ihre Wange legen und den Sommersprossen auf ihrer blassen Haut nachspüren, aber sie erscheint mir noch immer nicht wirklich genug, um sie zu berühren.
    Sie beugt sich vor, bis sie ganz nah ist, und alles an ihr ist schwindelerregend warm und weich.
    » Ich habe dich auch vermisst « , sagt sie leise und atemlos.
    Ich lache, davon bekomme ich einen klareren Kopf. » Du wolltest mich umbringen. «
    Sie schüttelt den Kopf. » Ich habe dich immer gemocht. Ich wollte dich schon immer. Immer schon. «
    » Oh « , sage ich benommen. Und dann küsse ich sie.
    Unter dem Druck meiner Lippen öffnet sie den Mund, lehnt sich zurück und zieht mich über sich auf mein Bett. Dann schlingt sie die Arme um meinen Hals und seufzt an meinem Mund. Meine Haut brennt. Meine Muskeln spannen sich an wie vor einem Kampf, bis ich zittere.
    Ich hole abgerissen Luft.
    So viel Glück ist in mir. Ich bin so glücklich, dass ich es nicht fassen kann.
    Nun, da ich sie endlich berührt habe, kann ich nicht mehr aufhören. Als könnte ich ihr durch die Sprache meiner Hände all die Dinge sagen, die ich nicht laut aussprechen kann. Ich schiebe meine behandschuhten Finger unter den Bund ihrer Jeans, gleite über ihre Haut. Sie rutscht ein wenig herum, um die Jeans runterzuziehen, und greift nach meiner Hose. Ich atme ihren Atem und kann nicht mehr klar denken.
    Jemand donnert an die Tür.
    Es ist mir egal. Ich kann nicht aufhören.
    » Cassel « , ruft Großvater von draußen.
    Ich rolle vom Bett und stehe auf. Lila ist rot im Gesicht und keucht. Ihre Lippen sind rot und feucht, ihre Augen dunkel. Ich bin völlig von der Rolle.
    » Was? « , brülle ich.
    Die Tür geht auf und Großvater steht da mit dem Telefon in der Hand. » Komm raus und rede mit deiner Mutter « , sagt er.
    Ich sehe Lila entschuldigend an. Sie hat rosa Flecken auf den Wangen und fummelt an ihrer Jeans, um sie wieder zuzuknöpfen.
    » Ich rufe sie zurück « , antworte ich wütend, aber er hört mir gar nicht zu.
    » Nein « , sagt er. » Du nimmst jetzt das Telefon und hörst dir an, was sie zu sagen hat. «
    » Großvater! «
    » Sprich mit deiner Mutter, Cassel. « So unbeugsam hat er noch nie mit mir gesprochen .
    » Wenn’s sein muss! « Ich schnappe mir das Telefon und gehe in den Flur. Großvater scheuche ich vor mir her.
    » Herzlichen Glückwunsch zur Entlassung, Mom « , sageich.
    » Cassel! « Sie ist völlig verzückt, weil sie mit mir sprechen kann– als wäre ich der Prinz eines exotischen Landes. » Entschuldige, dass ich nicht sofort nach Hause gekommen bin. Natürlich möchte ich meine Jungs sehen, aber du hast ja keine Ahnung, wie es ist, all diese Jahre mit einem Haufen Weiber zusammenzuleben und nicht einen Augenblick für sich zu haben. Und nichts passt mir mehr. Bei diesem grässlichen Essen habe ich total abgenommen. Ich muss richtig viel einkaufen. «
    » Super « , sage ich. » Du wohnst also im Hotel? «
    » In New York. Ich weiß, wir haben einiges zu besprechen, Schatz. Es tut mir leid, dass ich es dir nicht eher gesagt habe. Ich meine, dass du ein Fluchwerker bist. Aber ich wusste, dass man dich ausgenutzt hätte. Und so ist es ja auch gekommen. Selbstverständlich wäre das nie passiert, wenn der Richter auf mich gehört und verstanden hätte, dass eine Mutter bei ihren Kindern sein muss. Ihr Jungs braucht mich doch. «
    » Es ist passiert, bevor du ins Gefängnis musstest. «
    » Was? «
    » Das mit Lila. Sie wollten mich dazu zwingen, sie umzubringen, bevor du ins Gefängnis musstest. Sie haben sie in einen Käfig gesteckt, bevor du ins Gefängnis musstest. Mit dir hatte das gar nichts zu tun. «
    Sie kommt ins Stocken. » Ach Liebling, das stimmt so nicht. Da täuscht dich deine Erinnerung. «
    » Untersteh– dich– mit– mir– über– Erinnerungen– zu– reden « , rotze ich geradezu ins Telefon. Jedes Wort
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