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Weiße Stille

Weiße Stille

Titel: Weiße Stille
Autoren: Alex Barclay
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dafür, dass es ihrem Bambino gut ging. Wir wohnten in einem wunderschönen Haus, auf einem gut bewachten Grundstück mit bewaffneten Posten. Doch in versteckten Winkeln des Gebäudes gingen Dinge vor, von denen ich nichts wusste. Die Männer, die für Mutter arbeiteten … ihre Angestellten, ihre Schläger, ihre Versuchskaninchen? Mit ihren Geschichten zauberte sie diese miesen Typen einfach weg. Der Mann mit dem krummen Rücken lief immer herum, neigte den Kopf zur Seite und hob den Blick, wenn er mit einem sprach. Ich hatte schreckliche Angst vor ihm. Mutter konnte es nicht ertragen, wenn ich weinte. Die Frau, sie hieß Remy, hielt mich in den Armen, wiegte mich und sagte:

    Es war einmal ein krummer Mann,
    der lief einen krummen Weg entlang.

    Und dann war alles wieder gut. Es war wie ein Spiel. Durch ihre Verse verwandelte sie alles in ein Märchen. Und diese Männer waren wie Gestalten aus den Märchen … Menschen, die auch ihre guten Seiten hatten, über die wir lächeln konnten.
    Aber mein Vater … Er war ein Ungeheuer. Er behandelte mich wie ein Stück Dreck. Manchmal verschwand er wochenlang. Eines Tages war Remy bei mir, als ich hörte, dass er das Haus verließ. Sie sagte zu mir:

    Als ich die Treppe hinaufstieg,
    traf ich einen Mann, der nicht da war.

    Ein paar Tage später fügte ich hinzu:

    Heute war er wieder nicht da.
    Und ich wünschte so sehr, er würde wegbleiben.

    Ich werde es nie vergessen. Und ich werde Remy nie vergessen. Ihr ändert eure Namen nicht oft, stimmt’s? Ihr müsst in der Lage sein, euch zum richtigen Zeitpunkt umzudrehen und zu reagieren, nicht wahr? Ren. Remy. Ren. Remy.
    Und wie stehen wir heute da? Sie und Ihr erfundenes totes Baby. Ich und mein Vater, der mich tatsächlich verlassen hat. Sie und Ihr erfundener Name, Ihr erfundener Job, Ihr erfundenes trauriges, tragisches, verdammtes Leben …« Er zuckte mit den Schultern. »Kein Wunder, dass die Geschichten, die Sie mir erzählt haben, so fantastisch waren.«
    Ren stand auf und verließ den Raum. Mein kleiner Gavino Bambino Val Pando.

71.
    Schnellen Schrittes eilte Ren den dunklen Gang des Gefängnisses hinunter; dann begann sie zu laufen. Als sie das Büro des Sheriffs erreichte, rang sie nach Atem. Sie huschte in die Toilette, schloss die Tür ab und lehnte sich gegen die Wand. Tränen liefen ihr über die Wangen, und sie schluchzte laut. Als sie hörte, dass jemand gegen die Tür hämmerte, riss sich zusammen und atmete tief durch.
    »Ren, machen Sie auf. Bitte, machen Sie die Tür auf. Lassen Sie mich rein!« Es war Gary.
    Undercover-Agenten waren völlig von ihrem wirklichen Leben abgeschnitten, um ihren Job so sicher wie möglich erledigen zu können. Jeder Undercover-Agent hatte einen Kontaktagenten; vor zehn Jahren war Gary Dettling Rens Kontaktagent gewesen. Ihre Kollegen von damals – und von heute – wussten nichts davon. Auch Paul Louderback hatte keine Ahnung. Nur eine kleine Gruppe hoher FBI-Agenten in der Zentrale war eingeweiht, darunter Jeff Warwick und Tim Monahan.
    »Ren, machen Sie auf«, sagte Gary. »Bitte. Das ist nicht gut. Lassen Sie mich rein.«
    Ren wartete, doch Gary ging nicht. Schließlich kniete sie sich hin und kroch zur Tür. Es gelang ihr, sie zu öffnen. Gary kam herein und schloss die Tür hinter sich. Er kniete sich neben sie auf den Boden und nahm sie in die Arme. Ren ließ es geschehen.
    Als sie sich beruhigt hatte, fragte er: »Ihr Einsatz, Ren. Schaffen Sie das?«
    Sie hob den Blick. »Ja.«Ren saß Monahan und Warwick wieder gegenüber. Sie trug eine saubere Bluse, die Gary aus dem Kofferraum ihres Jeeps geholt hatte.
    »Ich möchte wissen«, sagte sie, »Wie Gavino Val Pando mich gefunden hat. Denn ich weiß, dass Billy Waites nichts damit zu tun hat.«
    »Wir vermuten, dass Domenica Val Pandos Günstlinge Sie aufgespürt haben«, sagte Warwick.
    Ren erhob sich und schlug mit den Fäusten auf den Tisch. »Ich habe euch Domenica Val Pando gebracht«, rief sie. »Sie kennen die Geschichte. Und in nur vierundzwanzig Stunden habt ihr alles vermasselt! Jetzt hat diese Schlampe … mein Gott.«
    Niemand sagte ein Wort.
    Ren hielt Tim Monahans starrem Blick stand. »Ich kannte Domenica Val Pando besser als jeder andere Agent. Ich kenne die Marke ihres Enthaarungswachses, das ihre Kosmetikerin bei ihr benutzt. Ich weiß, dass sie trotz ihrer Zellulitis nur Stringtangas trägt. Ihr Schönheitschirurg ist Franzose. Ich weiß, wer der richtige Vater ihres Sohnes ist. Und seit jenem
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