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Weiße Nana / Mein Leben für Afrika

Weiße Nana / Mein Leben für Afrika

Titel: Weiße Nana / Mein Leben für Afrika
Autoren: Bettina Landgrafe
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dunkle Grün in südöstlicher Richtung zum Bosomtwisee.
    Dieser See ist etwas ganz Besonderes. Es gibt verschiedene Theorien zu seiner Entstehung. Die einen sagen, er sei vulkanischen Ursprungs. Die andere Theorie besagt, dass vor rund eineinhalb Millionen Jahren hier ein Meteorit einschlug und diesen fast kreisrunden, tiefen See schuf. So kommt es, dass man stundenlang über ziemlich ebenes Land fährt, und plötzlich eröffnet sich mitten in der Ebene ein riesiger Trichter. Gleich hinter dem Dorf Morontuo führt ein holpriger, gewundener Weg rund drei Kilometer steil nach unten. Ein paar hundert Meter oberhalb des Seeufers liegt am Abhang, den die Sternschnuppe, falls die Geschichte stimmt, bei ihrem Einschlag schuf, das Dorf Apewu.
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    2. Das Dorf Apewu am Bosomtwisee
    Diesen steilen, von der Erosion zerklüfteten Pfad konnte man damals nur zu Fuß hinuntersteigen. Ich schulterte also in Morontuo am Kraterrand meinen Rucksack und machte mich auf den Weg. Immer wieder führte er mich an steilen Klüften vorüber, wo das Regenwasser, das in diesen Breiten mit tropischer Entschlossenheit vom Himmel stürzt, die Erde weggeschwemmt hatte. Es war ein mühseliger Weg, steil, unwegsam und schweißtreibend, und damals ahnte ich nicht, dass ich ihn in den nächsten Jahren noch unzählige Male hoch- und runterklettern würde. Doch wie zur Belohnung öffnete sich immer wieder der Blick auf den tiefblauen See. Ein wahres Paradies, dachte ich.
    Ein Paradies mit ein paar Schönheitsfehlern, wie ich nur zu bald herausfinden sollte.
    Die Menschen von Apewu empfingen mich auch gleich beim ersten Mal äußerst herzlich. Jeder war neugierig auf mich. Die Kinder kamen in Scharen und bildeten eine riesige Traube um mich. Hier und da spürte ich kleine Hände auf meinen Beinen und Finger, die an meinen blonden Härchen an den Armen zupften. Große braune Augen schauten mich verwundert an. Diese Traube von Kindern, die Emmanuel scherzhaft bis heute meinen »Fanclub« nennt, sollte mir von da an überallhin folgen.
    Auf einem Gelände am Rand des Dorfes schlug ich mein Zelt auf. Ich richtete mich häuslich ein und versuchte, Ordnung in meine Ausrüstung zu bringen. Taschenlampe, Mückenspray, Klopapier, alles griffbereit.
    Trotz meiner Müdigkeit nach der langen Reise und dem ungewohnten Fußweg schlief ich in jener ersten Nacht nur sehr unruhig, denn ständig raschelte und fiepte es auf der anderen Seite der dünnen Zeltwände, und ich sah mindestens zehn Mal nach, ob der Reißverschluss auch wirklich geschlossen war. Ich hatte furchtbare Angst, mit einer Schlange oder einer großen Spinne im Zelt aufzuwachen. Wenn der Wind die Blätter der Palmen gegeneinander schlägt, hört sich das an, als würde es regnen, und ich hatte große Sorge, von einem Sturzregen, wie es sie in den Tropen gibt, samt meinem Zelt davongeschwemmt zu werden.
    Als ich gegen drei Uhr morgens endlich etwas eingedöst war, begann ein Hahn zu krähen, und zwar so durchdringend und ununterbrochen, dass an Schlaf wirklich nicht mehr zu denken war. Als ich früh am nächsten Morgen aus meinem Zelt kroch, war ich völlig gerädert. Im Scherz fragte ich die Menschen, deren Hütten meinem Zelt am nächsten standen, wem dieser Hahn denn gehöre, der mich so wach gehalten habe, und ob ich ihn nicht vielleicht kaufen und dann zu Hühnersuppe verarbeiten könne. Ich meinte das im Scherz, aber tatsächlich trat ein Mann auf mich zu und verkündete freudestrahlend, der Hahn gehöre ihm, und wir könnten ihn gerne essen! Oh, wie peinlich war es mir, als ich feststellte, dass die Menschen von Apewu meinen Witz vollkommen ernst nahmen. Schließlich bin ich Vegetarierin, und ein Tier zu töten, um es dann aufzuessen, wäre für mich vollkommen unmöglich. Ich musste meine ganze Überzeugungskraft aufwenden, um aus dieser Sache wieder herauszukommen, ohne dass es den Hahn Kopf und Kragen kostete.
    Danach machte ich mich auf den Weg ins Dorf, um zu sehen, wo ich als Krankenschwester am besten helfen könnte. Rasch stellte ich fest: Jemanden wie mich konnte man eigentlich überall gut gebrauchen. Es gab viele kranke Kinder, Durchfall und Wurmbefall schienen die häufigsten Erkrankungen zu sein. Sehr schnell begriff ich aber auch, wie naiv die Annahme war, ich könnte hier als deutsche Kinderkrankenschwester »schnell mal eben helfen«. Denn hier wurde ich mit Krankheiten konfrontiert, die wir in Europa oft nur dem Namen nach kennen: Lepra, Cholera, Typhus, Malaria,
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