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Weiße Nana / Mein Leben für Afrika

Weiße Nana / Mein Leben für Afrika

Titel: Weiße Nana / Mein Leben für Afrika
Autoren: Bettina Landgrafe
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Denguefieber, Wurmerkrankungen, Gelbfieber und vieles mehr, von Bissen giftiger Schlangen ganz zu schweigen. So wurde ich selbst zunächst wieder zur Schülerin, und der Medical Officer des Ortes erklärte mir geduldig, wie man welches Symptom erkennt und behandelt.
    Dieser Medical Officer – eine genaue Entsprechung zu diesem Beruf gibt es in Deutschland nicht, es handelt sich um eine Ausbildung zwischen Arzt und Krankenpfleger – stammte aus der Gegend. Eigentlich war er längst pensioniert, doch weil es keinen Ersatz für ihn gab, half er trotzdem weiterhin, wo er nur konnte. Da waren außerdem eine traditionelle Hebamme, die gerufen wurde, wenn ein Kind auf die Welt kam, und eine Krankenpflegerin, die ein paar Seminare besucht hatte.
    Allerdings waren auch bei noch so guter Ausbildung ziemlich schnell die Grenzen des Möglichen erreicht. Denn es gab so gut wie keine Medikamente, und selbst die rudimentärste Ausstattung wie ein Sterilisator fehlten in dieser »Buschklinik«, die diesen Namen bestimmt nicht verdiente. Sie war in einem alten, baufälligen Lehmhaus mit einem flachen Wellblechdach untergebracht, das gerade nicht anderweitig genutzt wurde. Wie alle diese Häuser war es einstöckig, verfügte über einen Eingangsbereich und drei separate, winzige Zimmer. Das eine war das Behandlungszimmer, im anderen behielten wir Patienten da, die beobachtet werden mussten, und das dritte nutzten wir als Entbindungsraum.
    Über Mangel an Patienten konnten wir uns nicht beklagen, es kamen viele, auch aus den umliegenden Dörfern. Alle hatten einen weiten und anstrengenden Fußmarsch hinter sich, wenn sie bei uns eintrafen. Darum boten wir ihnen immer zuerst Wasser zum Trinken an, danach mussten sie sich ausruhen. Denn hätte ich sofort nach ihrer Ankunft die Vitalwerte wie Puls und Blutdruck gemessen, dann wären alle Werte durch die vorangegangene Anstrengung verfälscht gewesen. Ein Besuch in der Buschklinik war auch immer eine Gelegenheit, alte Bekannte zu treffen, einen Plausch hier, ein Gespräch da zu führen und Neuigkeiten auszutauschen. Den ganzen Tag über begleitete ein gleichmäßiges Stimmengewirr meine Arbeit.
    Ich brauchte nicht lange, um herauszufinden, warum so viele Dorfbewohner unter diversen Krankheiten litten: Die hygienischen Verhältnisse im Ort waren himmelschreiend. Wenn ich die folgenden Nächte in meinem Zelt wach lag, dann war der Grund dafür längst nicht mehr das ständige nächtliche Geraschel. Es waren die Lebensumstände der Menschen in den Dörfern an diesem wunderschönen Ende der Welt, die mir zu schaffen machten.
    Ich begriff, wie naiv es war, zu glauben, man könne mal eben seinen Urlaub in Afrika verbringen, um ein bisschen zu helfen. Ich erkannte, dass wir Europäer im Grunde keine Ahnung davon haben, was diese Menschen hier wirklich brauchen, und das traf für mich genauso zu wie für die anderen Volunteers, die mit Hilfe jener Organisation nach Ghana kamen, um einen exotischen Urlaub mit einer guten Tat zu verbinden. Wahrscheinlich trifft dies, so dachte ich mir, für die meisten Hilfsorganisationen zu, die das Beste im Sinn haben, hier und dort etwas aufbauen und dann wieder verschwinden. Aber das war nicht der richtige Weg.
    Wie aber mochte der aussehen?
    Um die Menschen und ihre Probleme wirklich zu verstehen, musste ich mit ihnen reden können. Zwar ist die offizielle Landessprache in Ghana Englisch, doch leben die Stammessprachen fort und werden gerade in abgelegenen Gegenden fast ausschließlich gesprochen. Nur wer zur Schule gehen kann, lernt überhaupt Englisch.
    Und schon stand ich vor einem weiteren Problem der Menschen hier vor Ort. Denn es gab zwar eine Schule, doch die war in einem erbärmlichen Zustand und außerdem viel zu klein.
    In Ermangelung von Schulbänken saßen die wenigen Kinder, die überhaupt von ihren Eltern geschickt wurden, auf dem blanken Boden. Es gab nur die ersten drei Klassen, dann mussten die Schüler täglich den weiten und beschwerlichen Weg nach oben zum Kraterrand antreten.
    Aber was für mich als Krankenschwester neben der Schulsituation am schwerwiegendsten war: Es gab keine Toiletten im Dorf. Da war zwar eine Grube, allerdings lief die bei schwereren Regenfällen regelmäßig über. Um seine Notdurft zu verrichten, ging man darum einfach in den Busch.
    Wohin ich auch sah, überall lagen die Dinge im Argen. Ich wollte herausfinden, was diese Menschen hier wirklich dachten, was sie tatsächlich wollten und brauchten. Ich hatte in
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