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Weiße Nana / Mein Leben für Afrika

Weiße Nana / Mein Leben für Afrika

Titel: Weiße Nana / Mein Leben für Afrika
Autoren: Bettina Landgrafe
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derer ich bedurfte. Die Menschen hier haben sehr konkrete Vorstellungen von dem, was sie brauchen und was sie wollen. Dazu benötigen sie uns nicht. Sie brauchen einen Partner oder einen Freund, der ihnen hilft, die eigenen Ideen umzusetzen.
     
    Doch zunächst fing alles ganz einfach an: Ich hatte mein Sparkonto geplündert und meinen Großeltern und deren Freunden von den himmelschreienden Zuständen in Apewu erzählt. Als sie sahen, wie ernst es mir war, gaben sie mir alle Geld, um die medizinische Grundversorgung in diesem Dorf zu verbessern. Davon kaufte ich Medikamente, von denen ich inzwischen gelernt hatte, dass sie in dieser Gegend von Nutzen waren. Außerdem schaffte ich eine erste Ausstattung an, einen Topf zum Sterilisieren, Verbandszeug, ein Stethoskop, ein Blutdruckmessgerät, Thermometer, Sticks zur Analyse des Urins und des Blutzuckers – und was man sonst so braucht, um eine medizinische Grundversorgung zu garantieren.
    In Apewu angekommen, wo man mich wie eine lange vermisste Verwandte empfing, versuchte ich, dort anzuknüpfen, wo ich aufgehört hatte, das Ganze zu strukturieren, einen Grundrhythmus in unsere Arbeit zu bringen. So verband ich zum Beispiel erst die sauberen Wunden, dann die septischen, damit die Keime nicht verschleppt wurden, lauter Dinge, die bei uns selbstverständlich sind. Der pensionierte Medical Officer war immer noch da, er merkte rasch, dass es mir ernst war, dass ich nicht weiter so »rumwurschteln«, sondern wirklich etwas verändern wollte. Und er unterstützte mich, so gut er konnte.
    Eines Tages brachten sie mir ein Neugeborenes und legten es mir auf den Behandlungstisch. Es war ein prächtiger Junge, und ich fragte, was ihm denn fehle.
    »Nichts«, meinten die Eltern und strahlten mich an, »er muss nur beschnitten werden.«
    »Beschnitten?!«, war meine alarmierte Antwort. »Ihr seid doch keine Muslime! Wieso wollt ihr den kleinen Kerl beschneiden?«
    Da erklärten sie mir, natürlich seien sie Christen, aber in der Bibel stünde, dass ein neugeborener Junge am siebten Tag nach seiner Geburt beschnitten werden sollte, und man bat mich in aller Form, die Zirkumzision vorzunehmen.
    »Das kommt überhaupt nicht in Frage«, rief ich. »Das ist eine richtige Operation, dazu muss der Kleine eine Betäubung bekommen. Hier haben wir überhaupt nicht die Ausrüstung, die es dafür braucht.«
    Die Eltern waren ob meiner ablehnenden Antwort enttäuscht, und eh ich mich versah, nahm einer der Anwesenden eine Schere, zog dem Kleinen die Vorhaut lang und schnitt sie einfach – ritschratsch – ab. Hier und da wurde noch ein Hautfetzchen passend geschnitten, bis die Eichel frei lag und die Vorhaut kurz genug war. Ich dachte, ich sehe nicht recht! Und dann baten sie mich auch noch, ein Pflaster auf die blutende Wunde zu kleben. Ein Pflaster!
    Da atmete ich dreimal tief durch und machte mich daran, die Wunde sachgerecht zu behandeln und zu verbinden. Oh, Bettina, dachte ich, wo bist du denn hier gelandet!
    So eine Beschneidung ist eine extrem blutige Angelegenheit, und ich hatte alle Hände voll zu tun, alles wieder zu säubern. Als mich die Angehörigen des Kindes, die vor dem Haus warteten, mit blutverschmierten Händen sahen, klatschten sie mir alle Beifall, denn sie dachten, ich hätte diesen rituellen Schritt vollzogen. Da bin ich fast ausgerastet und erklärte lauthals, dass ich das niemals tun würde.
    Im Folgenden lieferte ich mir lange und temperamentvolle Diskussionen mit dem Pastor des Dorfes, der die Praxis der Vorhautbeschneidung wortreich verteidigte und mit Bibelzitaten untermauerte. Okay, sagte ich mir schließlich, wenn das hier so Tradition ist, dann sollen sie es eben tun. Aber was ist meine Rolle bei dem Ganzen? Ich erklärte allen, die es hören wollten, dass ich der Meinung bin, dass man sich in so einem Umfeld und bei diesem Klima nicht auch noch Wunden selbst zufügen sollte, schon gar nicht einem Neugeborenen. Aber selbstverständlich wollte ich den Leuten auch nicht vorschreiben, was sie zu tun oder zu lassen haben.
    »Jedenfalls werde ich keine Vorhaut abschneiden«, erklärte ich. Und das wurde auch allgemein akzeptiert.
    Während dieses zweiten Besuchs brach in einem der Nachbardörfer Cholera aus. Es gelang uns, das Schlimmste zu verhindern: das Ausbrechen einer Epidemie. Dabei wurde mir so manches klar. Die Ursache für viele Durchfallerkrankungen bis hin zu Cholera und dem Wurmbefall in den Augen von so zahlreichen Kindern war das Trinkwasser. Die
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