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Weiß wie der Tod

Weiß wie der Tod

Titel: Weiß wie der Tod
Autoren: Roman Rausch
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benutzen.«
    Sommerfeld zögerte. »Sie wissen, dass Ihnen jeder Kontakt nach draußen untersagt ist. Allein schon die Zeitungen können mich den Job kosten.«
    »Es erfährt niemand außer Ihnen und mir.«

11
    Den Kopf auf die Unterarme gestützt, war Lili am Esszimmertisch eingeschlafen. Vor ihr zwei Teller mit Besteck, ein Topfuntersetzer und die Post des Tages. Sie hörte nicht, wie sich die Eingangstür öffnete und kurz darauf wieder schloss. Ein Mann hängte den nassen Regenmantel an die Garderobe und streifte die Schuhe ab. Er blickte durch den kleinen Flur der Dreizimmerwohnung in die Küche.
    Sanft strich er über Lilis Rotschopf, der ihr Gesicht zur Gänze verdeckte. Müde Augen schauten auf.
    »Hallo, Paps.«
    Sie küsste ihn auf die Wange und ging wie tausendmal zuvor an den Herd, um das Essen aufzuwärmen.
    »Wieso bist du noch nicht im Bett?«, fragte Thorsten Waan und setzte sich. »Du musst morgen früh raus.«
    »Ich habe vorgeschlafen.«
    »Wir können es uns nicht leisten, dass einer von uns ausfällt.«
    Lili streichelte seine ergrauten Haare. Darunter das erschöpfte und bleiche Gesicht eines Mannes in den frühen Fünfzigern.
    »Mach dir um mich keine Sorgen«, sagte sie, »ich habe noch genug Kraft.«
    Er gab sich damit zufrieden und griff nach der Post. Auf einem der Briefe erkannte er den gefürchteten Firmenstempel. Er öffnete das Kuvert und las das Schreiben.
    Lili rührte unterdessen den Eintopf um. »Wie war dein Tag?«, fragte sie.
    Mit halber Aufmerksamkeit spulte er die sattsam bekannten Antworten herunter. »Es gibt wieder Ärger. Die Kollegen wollen nicht mehr länger alles hinnehmen. Sie schieben eine Zwölfstundenschicht nach der anderen. Und das für ’nen Appel und ’n Ei. Wenn wenigstens die Öffentlichkeit hinter uns stehen würde, aber von dort hagelt es auch nur Proteste. Wir haben die Gewerkschaft eingeschaltet. Es wird Zeit für eine Aktion.«
    »Bist du dabei?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Lili stellte den Topf auf den Tisch und gab ihm eine Kelle voll auf den Teller. Es entging ihr nicht, dass ihr Vater den Brief unter den anderen zu verstecken versuchte.
    »Lass uns beten«, sagte er leise und ergriff sanft ihre Hand. Mit gesenkten Köpfen murmelten sie ihre Dankesbotschaften.
    »Guten Appetit«, wünschten sie sich und begannen zu essen.
    »Was war bei dir heute los?«, fragte er nach einer Weile.
    »Die Finanzierung von meinem neuen Projekt Freedom Writers ist endlich durch.«
    Er ergriff ihre Hand. »Gratulation, du hast lange dafür gekämpft.«
    »Danke. Morgen beginnt die Anmeldung. Ich habe alles vorbereitet und kann gleich anfangen.«
    Er lächelte. »Schön, wie du das alles hinbekommst. Ich bin stolz auf dich. Was gab’s sonst? Irgendwelche Probleme?«
    Lili schaute ihm in die Augen. »Nein. Warum fragst du?«
    »Nur so.«
    Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, dachte Lili. Was stand in dem Brief von der Bank? Wie schlimm war es, wie lange würden sie noch durchhalten?
    Doch bevor sie fragen konnte, bedankte er sich fürs Essen, nahm die Post und wünschte ihr eine gute Nacht. Morgen würde wieder ein langer Tag werden. Er käme spät und sie solle nicht auf ihn warten.
    Lili räumte ab. Aus seinem Zimmer hörte sie Geräusche. Sie ging an die Tür, legte das Ohr daran. Schluchzte er? Tränen traten in ihre Augen. Verdammte Bank. Wieso konnten die sie nicht in Ruhe lassen? Sie taten doch schon alles Erdenkliche. Es gab nichts mehr zu verkaufen oder zu beleihen, und die verbliebenen Freunde hatten ihr Möglichstes getan.
    Sie war drauf und dran, die Klinke zu drücken, ließ es dann aber doch bleiben. Er würde es nicht wollen, dass sie ihn so sah.
    Sie ging am Bad vorbei in ihr Zimmer.
    Das Licht warf den Schein auf ein schmales Bett – weiße Holzumrandung, rosafarbene Bettwäsche. Die Wand war mit Fotos übersät. Sie zeigten Lili im Kreise ihrer Klassenkameraden, beim Ausflug zu den Kreidefelsen, mit Studienkollegen und bei der Examensfeier. Bilder aus ihren Kinderjahren fehlten – bis auf eines: Lili mit der randvoll gefüllten Schultüte. Auf dem Nachttisch stand das Bild einer Frau, ihre Mutter mit langen braunen Haaren und Sonnenbrille.
    Lili konnte sich noch an die Aufnahme erinnern. Sie entstand, kurz bevor sie mit dem Cabrio nach Sylt aufbrachen. Es war ihr letzter gemeinsamer Urlaub gewesen.
    Während sie den Computer hochfuhr, warf sie einen Blick auf ihr Handy. Eine SMS war eingegangen. Absender unbekannt. Sie öffnete sie dennoch. Danke, Nicole,
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