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Weinzirl 02 - Funkensonntag

Weinzirl 02 - Funkensonntag

Titel: Weinzirl 02 - Funkensonntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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es nämlich der Nachbargemeinde gelingt, den Funken
vorzeitig anzuzünden, ist das eine höllische Schmach. Ungefähr so, als wenn die
Nachbarn einen Maibaum klauen«, brachte Patti sich nun ein – sie hatte sich
offenbar wieder gefangen.
    Ohne auf das gerade Gesagte einzugehen, hob nun Mister TE VAU an: »Ich möchte aber Wert darauf
legen, dass es definitiv nicht zu leugnen ist, dass mit Aschermittwoch eine
Zeit der Reinigung beginnt und die Tage nun tatsächlich schon merklich länger
werden. Ich präferiere die Version mit dem Feuergeist, der in den Himmel
hochsteigt und den Kampf gegen die Dunkelheit beginnt.«
    Er schaute seinen Kameramann strafend an, so als sollte der gefälligst
den Feuergeist auf den Film bannen.
    »Na, dann wollen wir ihn mal aufsteigen sehen, den Feuergott«, stieß
Jo hervor, nickte Patti zu und rief zum Aufbruch.
    Draußen hatten sich bereits an die achtzig Personen versammelt.
Fackeln wurden ausgegeben. Patrizia verteilte eilfertig Regenschirme mit dem
Aufdruck »Ob’s stürmt oder schneit, des Allgei macht Freid«.
    Gerhard hatte seine antike Antiklederjacke angezogen, die ihm nach
Jos Ansicht – daran erinnerte er sich jetzt – entweder die Mister-Flohmarkt-Medaille
eintragen würde oder aber einen Platz im Obdachlosenheim. Pah!, dachte Gerhard,
was kratzt mich der Modezeitgeist! Das Ding war warm und viel zu schade zum
Wegwerfen. Er beobachtete weiterhin Jos Presse-Gruppe. Jo hatte ihn bisher noch
immer nicht gesehen, und sie steckte mitten in diesem gespenstischen Zug, der
am Rössle losging. Die Menschen mit den spitzen Skimützen wirkten auf Gerhard
wie der Ku-Klux-Klan. Die Schritte hallten im Gleichschritt. Gemächlichen
Tempos ging es bergan, die Gespräche waren fast erstorben, nur ab zu war ein
Kinderlachen zu hören. »Pitsch« machte es, als Gerhard in eine Pfütze getreten
war, und »Zisch«, als seine weggeworfene Fackel in einer anderen Pfütze
erlosch.
    Der Blonde war neben Jo getreten. »Scheißwetter, was!«
    »Furchtbar, der Funken brennt nie, und das im Beisein der
investigativen Weltpresse. Gott steh mir bei«, hörte Gerhard Jo sagen.
    »Na, vielleicht reiche ich dir zum Beistehen. Fürs Wetter könnt ihr
doch nichts«, antwortete dieser Blonde.
    »Ha, sag das mal Mister TE VAU !«
Jo verzog das Gesicht in einer Weise, die Gerhard sonst immer mit »tragisches
Waldmurmeltier« kommentierte.
    »Vergiss doch diesen granatenmäßigen Halbdackel!«, ließ dieser Typ
jetzt in schönstem Schwäbisch hören.
    Auch noch ein Schwabe!, dachte Gerhard, und dann reichte der zu
allem Überfluss Jo auch noch sehr galant seinen Arm.
    Der Regen hatte etwas nachgelassen und war in einen Sprühregen
übergegangen, der scheinbar von allen Seiten kam. Gerhard fröstelte trotz
seiner Lieblingsjacke. Langsam zog die Karawane aus Fackeln und Regenschirmen
den Hügel hinauf und dort stand er: der Funken, groß, schwarz, ein gewaltiger
Berg aus Hölzern, den die Fackeln in gespenstisches Licht tauchten. Es war wie
in einer Filmszene, in der heidnische Druiden ein Opferritual beginnen. Gerhard
hatte ein Bild aus einem König Artus Film vor Augen. Plötzlich war es ganz
still, die Plaudereien der Funkenbesucher waren verstummt. Einige Burschen der
örtlichen Dorfjugend begannen damit, Fackeln in das Gewirr aus Holz zu werfen.
Mal glomm es hier kurz auf, dann dort, jähe orangefarbene Stichflammen, und
dann wieder nichts als schwarzer Rauch.
    Als Gerhard zu Jo hinüberschaute, war da ein Anzeichen des
Erkennens. Sie kam auf ihn zu, und er sah sie mit einem schiefen Lachen an.
    »Du kennst auch keinen, oder?«
    »Wieso kennen?« Jo war irritiert.
    »Na, vorhin im Rössle, aber du warst ja auch ziemlich beschäftigt.«
    »Echt, warst du drin? Ich hab dich wirklich nicht gesehen. Sorry,
aber die Journalisten stressen mich ziemlich. Aber was machst du hier?«
    »Meine Eltern haben Besuch und dem vom romantischen Funkenfeuer
vorgeschwärmt. Nun ertrinkt die Romantik. Nur gut, dass die aus einem
rheinhessischen Weindorf kommen und den Kummer über die entgangene Folklore im
mitgebrachten Silvaner ertränken können.«
    »Sei froh«, unterbrach ihn Jo, »ich schlage mich mit grauenvollen
Presseleuten herum. Da ist nix mit Einsicht und Ablenkung durch den Geist des
Weines. Die haben den Funken gebucht. Das ist der wahre Alptraum.«
    Beide starrten auf den großen schwarzen Haufen. Wind war
aufgekommen, der Sprühregen tanzte ihnen auf der Nase herum, und die Hexe
schaukelte im Wind, eine Böe

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