Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weinstrassenmarathon

Weinstrassenmarathon

Titel: Weinstrassenmarathon
Autoren: Markus Guthmann
Vom Netzwerk:
den Steinbruch schnell hinter sich.
    Am Forsthaus an der Weilach verließ er die Straße und bretterte in den Wald hinein, statt der Neunziggradkurve zu folgen, die zurück nach Leistadt führte. Über einen engen holprigen Weg ging es in mörderischer Fahrt den Berg aufwärts, und Röder, der wieder den Anschluss verlor, konnte sich nur mühsam an das Rücklicht des Vordermanns heften, der sich gut auszukennen schien. Röder, der hier aufgewachsen war, hatte vollkommen die Orientierung verloren.
    Das Rücklicht des Vordermanns verschwand plötzlich, und Röder wurde vom Fahrzeugscheinwerfer geblendet. Einen Wimpernschlag später sah er das rote Rücklicht, aber es war zu spät. Seine Maschine machte einen riesigen Satz, als er über das gestürzte Motorrad seines Vordermanns fetzte. Er flog aus dem Sattel, dachte noch daran, sich zusammenzuziehen und abzurollen. Wahrscheinlich war das sein Glück, denn anderenfalls wäre er vermutlich auf den Baumstumpf geknallt, der das Ende seiner Flugbahn markierte. Das Letzte, woran sich Röder erinnern konnte, waren die Sterne, die aber nicht am Firmament standen.
    Mühsam öffnete er die Augen, als er ständig Tritte in die Seite bekam. Jemand hatte ihn an den Abgrund geschleift, der nicht weit von dem Baumstumpf entfernt war, an dem er beinahe sein Leben gelassen hätte. Nun versuchte dieser Jemand, ihm den Rest zu geben, indem er ihn mit Fußtritten traktierte, damit er die letzten Zentimeter zum Abgrund doch endlich kullernd zurücklegte.
    Krampfhaft klammerte sich Röder an einem Pfosten der eisernen Balustrade fest. Neben ihm ragte dunkel eine Holzhütte empor, und er wusste schlagartig, dass er auf dem Kriemhildenstuhl war. Jenem aufgelassenen Steinbruch, den schon die Römer ausgebeutet hatten, der seinen Namen der Nibelungensage verdankte und der an dieser Stelle dreißig Meter senkrecht in die Tiefe abfiel. Eigentlich hatte man von diesem romantischen Ort aus einen wunderbaren Blick über Bad Dürkheim, das in der Nacht wie ein Edelstein funkelte.
    Â»Aufhören!«, brüllte Röder verzweifelt, und der Angreifer versuchte es jetzt mit einem schweren Holzknüppel. Der erste Schlag traf ihn im Nacken, und er wäre beinahe wieder ohnmächtig geworden, was ihn ein ganzes Stück näher an die Kante brachte. Der nächste Schlag hatte es auf seine Weichteile abgesehen, landete aber im Bauch.
    Röder bekam den Knüppel zu fassen und zog mit den Kräften eines Todgeweihten daran. Er roch den säuerlichen Schweiß des Angreifers, hörte ein Stöhnen, als die Gestalt mit dem Knüppel ins Straucheln geriet und gegen die Balustrade krachte. Er wunderte sich noch, wie leicht ihm das gelungen war. Er nutzte den Moment und rollte sich vom Abgrund weg. Dann versuchte er sich aufzurichten und staunte darüber, dass er jetzt den Knüppel schwang. Eine zierliche Gestalt in Motorradkluft hing halb an der Balustrade und keuchte schwer. Es war Maria.
    Â»Scheiße«, entfuhr es Röder, der noch vor wenigen Sekunden wegen dieser Frau den Abgang gemacht hätte. »Hier am Kriemhildenstuhl sind schon einige runtergesprungen, aber Sie hätten hier beinahe den ersten Mord seit Generationen verübt. Sind Sie denn total bescheuert?«
    Röder atmete heftig, alles schmerzte.
    Â»Am liebsten würde ich Ihnen den hübschen Schädel einschlagen.« Er ließ den Knüppel sinken. Dunkle, schöne Augen funkelten ihn an. »War es das alles wert?«, brüllte er. Es bekam keine Antwort. »Sagen Sie mir wenigstens, um was es ging. Sie haben doch Ihren Mann umgebracht. Mit Gift, das Sie aus Tausenden von Spinnen gewonnen hatten. Sie sind Biologin, Sie wissen, wie man Spinnen züchtet. Sie kamen leicht an seine Trinkflasche ran.«
    Maria blickte ihn an, gab aber keine Antwort. Röder ging zu ihrem Motorrad, das er für seinen unfreiwilligen Stunt als Schanze benutzt hatte. Er löste den Seitenkoffer aus der Halterung, und sofort erinnerte er sich daran, dass er nach dem Schaukampf mit seiner Tochter eine Gestalt mit ebendiesem Koffer hatte verschwinden sehen.
    Â»Sie sind heute Nacht bei Hellinger in den Weinkeller eingebrochen und haben den Koffer aus seinem Versteck geholt, weil Sie den Inhalt verkaufen wollten. Wusste Hellinger Bescheid?« Sie zischte verächtlich. »Was ist mit Liebstöckl? Hatten Sie mit dem auch ein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher