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Weinen in der Dunkelheit

Weinen in der Dunkelheit

Titel: Weinen in der Dunkelheit
Autoren: Unbekannter Autor
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besten, du läufst jetzt den Gang auf und ab, das fördert. Im Bett hältst du es sowieso nicht aus. Und schau auf die Uhr, in welchen Abständen die Wehen auftreten.«
    Gut, daß ich nicht ahnte, was mir bevorstand; ich war froh und erleichtert, bald mein Kind zu haben. Den Schmerz fast vergessend, marschierte ich durch den langen Flur. Nach zehn Minuten fühlte ich den Schmerz wiederkommen. Erst ganz leicht, dann immer stärker werdend und schließlich grausam sich in mich bohrend. Danach verabschiedete er sich viel zu langsam wieder. Die Abstände verkürzten sich auf fünf Minuten und hatten gegen zehn Uhr morgens die Drei-Minuten-Grenze erreicht. Angsterfüllt starrte ich auf die Zeiger der Uhr, die Minuten rasten vorbei. Wenn die Armeeoffiziersärzte an mir vorbeigingen und ich voller Qualen stehen bleiben mußte, konnte ich in ihren Gesichtern Gleichgültigkeit oder hämisches Grinsen lesen. Ich haßte sie! Bedauernde Blicke erhielt ich von den Müttern, auch ein paar aufmunternde Worte:
    »Hast es ja bald geschafft.«
    Gegen ein Uhr mittags hatte ich den Punkt erreicht, wo mir alles egal war. Die Tränen liefen mir übers Gesicht, und ich fühlte mich innerlich wie von heißen Eisen zerstochen. Alles hätte ich getan, nur um die Schmerzen loszuwerden; der Tod angesichts des neuen Lebens wäre mir jetzt wie eine Erlösung vorgekommen. Aber nichts geschah, nur daß der Schmerz mir keine Minute der Ruhe gönnte. Nach einer Stunde rief mich ein Arzt in den Untersuchungsraum. Ich brauchte eine Ewigkeit bis zum Stuhl. Ein Schritt, eine Wehe, ein Schritt, eine Wehe, selbst bei der Untersuchung blieb sie nicht aus.
    »Ihr Muttermund ist erst drei Zentimeter offen, und zehn Zentimeter müssen es mindestens sein.«
    Da brach in mir eine Welt zusammen, und ich stöhnte unter Schmerzen und Tränen:
    »Ich kann nicht mehr.«
    Der Arzt erbarmte sich meiner, ließ mich in den Kreißsaal bringen, und nun bekam ich Spritzen. Ich wurde dem Schmerz gegenüber gleichgültig, obwohl ich ihn genau wie vorher spürte. Frau Groß, die Hebamme, eine nette junge Frau, stellte sich kurz vor und kümmerte sich um die neben mir liegende schreiende, vierzigjährige Frau, die ihr viertes Kind bekam.
    Ich biß in mein Kopfkissen, krallte mich an die Griffe des Bettes und dachte: Warum hält sie nicht ihren Mund und hört auf zu schreien? Sehnsüchtig wünschte ich mir plötzlich, ein kleines Mädchen zu sein und im Winter mit dem Schlitten einen Berg hinunterzurodeln. Je heftiger die Wehen wurden, desto schneller sauste mein Schlitten ins unendliche Tief.
    Die Frau neben mir sollte pressen, aber sie schrie nur:
    »Au, au, mein Rücken, er bricht mir durch!«
    Die Hebamme sagte laut und energisch:
    »Reißen Sie sich mal zusammen, neben Ihnen liegt eine Siebzehnjährige, die hat auch Schmerzen und sagt keinen Ton! Sie machen ihr ja mit Ihr em Geschrei Angst, denken Sie jetzt mal an Ihr Kind und pressen Sie!«
    Aber sie brüllte weiter. Auf ein Klingelzeichen füllte sich plötzlich der Raum mit Ärzten, und endlich trugen sie ein kleines Baby mit blauem Gesicht an mir vorüber; die Frau war still. Die Hebamme versorgte das Kind, dann trat sie an das Bett der Frau und sagte:
    »Sie haben einen Jungen, aber durch Ihre Schreierei haben Sie ihm beinahe geschadet, er hatte Sauerstoffmangel!«
    Danach verließen alle bis auf einen Arzt den Raum. Ich bekam plötzlich Angst, mein Kind allein kriegen zu müssen, und zupfte an seinem Kittel Ein ernstes, hageres Brillengesicht drehte sich zu mir, und ich flüsterte mühsam:
    »Kommen Sie auch zu mir?«
    Er streichelte flüchtig meinen Arm und sagte zur Hebamme:
    »Wenn es bei ihr soweit ist, rufen Sie mich!«
    Eine angenehme Stille herrschte auf einmal im Zimmer, die Ruhe ließ meine Schmerzen schwächer und schwächer werden, und dann waren sie ganz weg. Für ein paar Sekunden schlief ich ein, wurde aber durch das dringende Bedürfnis, auf die Toilette zu gehen, aus dem Schlaf gerissen und rief:
    »Schwester, ich muß mal!«
    Sie erschien sofort, untersuchte mich und sagte:
    »Nein, du mußt nicht, das sind die Preßwehen. Jetzt mußt du mithelfen, und dein Kind ist bald da!«
    Die Preßwehen taten nicht weh, ich hatte nur den unwiderstehlichen Drang zu drücken, um das Kind auf die Welt zu bringen.
    Doktor Israel stand, wie er es mir versprochen hatte, neben mir, die Hebamme saß am Fußende und eine andere Schwester stützte meinen Kopf am Genick. Ich tat alles auf Kommando der Hebamme, wie eine
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