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Weinen in der Dunkelheit

Weinen in der Dunkelheit

Titel: Weinen in der Dunkelheit
Autoren: Unbekannter Autor
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war es dann soweit, sie kam ins Krankenhaus, wo sie einen Jungen zur Welt brachte, der noch auf der Entbindungsstation lag, als sie schon lange wieder in Berlin war. Kurz nach ihrer Entbindung sorgte sie mit ihrer Art zu erzählen für große Aufregung unter den Schwestern. Diese verweigerten ihr bei der Entlassung die Herausgabe des Kindes. Da Gerlinde noch nicht achtzehn Jahre alt war, mußten ihre Eltern erst einen Sorgerechtsantrag für das Enkelkind stellen, und so lange blieb es im Krankenhaus.
    Vera stand während des Frühstücks plötzlich auf:
    »Es geht los!«
    Schnell beauftragte sie mich, noch eine Ausfahrgarnitur für das Kind zu häkeln, da sie noch keine Sachen hatte. Es kam drei Wochen zu früh. Ich versprach es, drückte ihr die Daumen und winkte dem Krankenwagen hinterher.
    Zum Glück hatte ich das Häkeln von Gerlinde gelernt und auch noch etwas blaue Wolle übrig, denn Vera bekam auch einen Jungen. Seit August hatten alle einen Jungen geboren. Während der Schwangerschaftswochen hatte ich immer einen Jungen haben wollen, aber nun wünschte ich mir ein Mädchen.
    Nach sechs Tagen brachte der Krankenwagen nur Veras Kind zurück, sie nicht. Eine Säuglingsschwester, die ich fragte, wo Vera sei, antwortete:
    »Ach die, die hat doch das Kind zur Adoption freigegeben.«
    Zuerst war ich entsetzt, sie hatte nicht die leiseste Andeutung gemacht. Aber je länger ich darüber nachdachte, desto besser konnte ich ihre Handlungsweise verstehen. Sie hatte zwei Kinder, wie sollte sie allein mit dreien zurechtkommen? Schließlich war ich fest davon überzeugt, daß sie eine gute Mutter war, denn ihre letzte Sorge galt ihrem Kind.
    Als Babys hatten die Kinder eine gute Chance, Adoptiveltern zu bekommen. Was hat ein Kind schon davon, von der Fürsorge aus einem kaputten Elternhaus geholt zu werden und später keine anderen Eltern mehr zu finden. Dann blieb ja doch nur das Heim. Ich schaute mir Veras Kind an. Mit winzigen Fäustchen, knallroten Haaren und großen Segelohren war es ein ausgesprochen witziges Baby. Bei seinem Anblick mußte man unwillkürlich lächeln. Ich fand, es brauchte unbedingt humorvolle Eltern.
    Adoptiert wurde es von einem Armeeoffizier mit Frau; ob die Humor hatten?
    Petras Kind wollte unbedingt an einem Sonntag auf die Welt kommen. Die Wehen setzten so heftig ein, daß sie Schwierigkeiten beim Einsteigen in den Krankenwagen hatte. Am späten Abend kam ein Anruf für mich, Petras Stimme klang verheult. »Komm gleich vorbei, ich bin so unglücklich!« Mehr sagte sie nicht. Voller Unruhe machte ich mich auf den Weg in das Armeehospital. Eigentlich lagen hier nur Soldaten. Eine Station für Mutter und Kind war die einzige Entbindungsmöglichkeit in dieser Umgebung, die zusätzlich eingerichtet worden war. Beim Betreten des Krankenzimmers sah ich, daß alle Frauen Besuch hatten, nur bei Petra saß niemand. Als ich sie umarmte, weinte sie sofort.
    »Es ist ein Junge!«
    »Was!« rief ich erstaunt »Schon wieder ein Junge, das gibt es doch gar nicht.«
    Aber das war nicht der Grund ihrer Tränen. Sie schluchzte:
    »Er hat einen Wolfsrachen!«
    »Was ist denn das?«
    »Eine Lippengaumenspalte, noch schlimmer als eine Hasenscharte. Sie haben ihn gleich in ein anderes Krankenhaus gebracht, weil er mit dem Mund nicht trinken kann.«
    Entsetzlich, die ganze Schwangerschaft über hatte sie Angst gehabt, daß ihr Kind auch so etwas haben könnte; wir hatten versucht, es ihr auszureden, und nun spielte ihr die Natur einen zweiten bösen Streich. Ich tröstete sie und sagte:
    »Wer weiß, vielleicht ist die Medizin mit der Schönheitsoperation schon viel weiter, und sie machen es besser als damals.«
    Sie hatte eine sehr unschöne Narbe zwischen Mund und Nase.
    Durch das Gespräch wurde sie zusehends ruhiger, dafür regte ich mich innerlich stark auf. Mühsam unterdrückte ich meine Erregung und war froh, daß sie mich, ohne nochmals zu weinen, gehen ließ.
    Konnte mit meinem Kind auch etwas nicht in Ordnung sein? Ich hatte nie darüber nachgedacht. Auf einmal war es mir sehr wichtig, und ich hatte Angst vor der Entbindung.
    Mittlerweile hatte mein Bauch die Form eines riesigen, aufgeblasenen Ballons von 100 cm Umfang angenommen und war über und über mit kleinen roten Streifen bedeckt.
    Wenn ich mich nackt unter der Dusche sah, hätte ich am liebsten geheult. Ich fand mich häßlicher denn je. Wie konnten Männer und Frauen auf diese Bäuche stolz sein? Meinen fand ich widerlich, unangenehm und immer im
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