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Weil wir glücklich waren - Roman

Weil wir glücklich waren - Roman

Titel: Weil wir glücklich waren - Roman
Autoren: Bastei Lübbe
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angebrüllt, aber alles, was mir einfiel, war, dass ich nichts in der Hand hatte, um zu verhandeln oder zu drohen, nichts, was ich ihm hätte entgegensetzen können.
    Später am selben Abend versuchte meine Mutter, ein gutes Wort für mich einzulegen. Sie wusste nicht, dass ich lauschte, sondern dachte, ich wäre mit Bowzer spazieren gegangen. Aber ich stand im Vorzimmer, kraulte Bowzer unterm Kinn, damit er sich ruhig verhielt, und presste mein Ohr an die Tür.
    »Du liest einfach zu viele Krimis.« Sie klang noch wütender, als ich es war. »Die machen dich komplett paranoid. Und nein, erzähl mir jetzt nicht, was du schon alles bei Gericht erlebt hast. Du musst aufhören, so mit Veronica zu reden. Ich will nicht, dass du ihr beibringst, sich vor allem zu fürchten.« Zu meiner Überraschung brach hier ihre Stimme.
    »Du hast ja keine Ahn ...«, setzte er an, aber sie stieß einen gellenden Laut aus, so durchdringend und unvermittelt, dass ich von der Tür zurückwich und mein Vater tatsächlich aufhörte zu reden.
    »Sie hat eine durchaus vernünftige Bitte vorgebracht«, sagte meine Mutter. Ihre Stimme war wieder ruhig und ihre Atmung gleichmäßig. »Ich finde, wir könnten zumindest darüber nachdenken.«
    Langes Schweigen folgte. Ich lehnte mich wieder an die Tür und wartete. Es roch nach frisch gebackenen Plätzchen, Schokoladenplätzchen. Sie würde mir mehrere Tüten mitgeben, genug, um sie mit meinen Freundinnen teilen zu können.
    »Na schön«, erwiderte er. »Ich habe darüber nachgedacht. Und die Antwort ist: Nein. Sie ist im Studentenwohnheim besser aufgehoben. Ich bezahle das Wohnheim, aber nicht für eine Wohnung. Aus.«
    Als wir uns das nächste Mal unterhielten, war er ruhiger, aber seine Meinung hatte er nicht geändert. Er sagte, ich müsse im Wohnheim bleiben, bis er meiner Mutter ein neues Auto kaufen und ich ihren Minivan haben könne, der zwar alt, dafür aber groß, sicher und zuverlässig sei.
    Danach ließ ich ihn in Ruhe. Meine Eltern sprachen mit mir nicht über ihre Finanzen, aber ich konnte mir denken, warum meine Mutter immer noch denselben Wagen hatte, den sie seit meiner Grundschulzeit fuhr, und warum wir unsere Mitgliedschaft im Country Club gekündigt hatten und warum man mich ermutigt hatte, mich bei einem College in meinem Heimatstaat zu bewerben, wo ich weniger Studiengebühren zu zahlen hatte als irgendwo anders. Mein Vater verdiente immer noch gut, aber er hatte ein paar schlechte Investitionen getätigt, und dann waren da noch die Pflegeheime für beide Großmütter und schließlich die Beerdigungen und dann die Probleme mit dem Haus.
    Meine Mutter war die Erste gewesen, der die dunklen Flecken an der Decke des oberen Flures aufgefallen waren. An dem Abend, als sie den Kostenvoranschlag für ein neues Dach bekamen, blieben meine Eltern lange auf und debattierten. Ihre Stimmen drangen durch das Lüftungsrohr der Heizung bis in mein Zimmer. Mein Vater sagte, sie müssten auf ihre Rücklagen für die Pensionierung zurückgreifen, aber meine Mutter war dagegen. Er blieb dabei. Ihr Verhalten sei albern, warf er ihr vor. Sie hätten Kredite abzuzahlen und die Hypothek für das Haus. Die Zinsen seien mörderisch. Sie solle einmal nachrechnen. Sie hätten reichlich Zeit, bevor er in den Ruhestand ginge, und in ein paar Jahren würde es keine Rechnungen für Pflegeheime mehr geben und keine Beerdigungen und keine unüberlegten Aktienkäufe, und ich würde die Einzige sein, die in der Ausbildung war. Dann würde er wieder in ihre Altersvorsorge investieren. Überhaupt kein Problem, versprach mein Vater ihr. Bis dahin müssten sie einfach zusehen, aus den Schulden herauszukommen.
    Natürlich kostete die Reparatur des Daches letzten Endes mehr, als einer der beiden hätte ahnen können. Nachdem mein Vater beim Heimkommen den schlafenden Dachdecker in seinem Bett vorgefunden hatte, war uns allen ziemlich klar, dass er meiner Mutter wohl doch kein neues Auto kaufen würde.
    »Scheidungen sind teuer«, sagte er, nicht lange nachdem er ausgezogen war, zu mir. »Verdammte Anwälte.« Er versuchte zu lachen, wirkte aber dabei ein bisschen benommen und immer noch genauso geschockt über das, was meine Mutter getan hatte, wie ich selbst es war. Er habe noch mit einer Grippe zu kämpfen, sagte er. Sein Gerichtssaal-Bariton klang heiser. Um den Bauch herum hatte er schon ein bisschen zugenommen - meine Mutter war immer diejenige gewesen, die darauf geachtet hatte, wie viel Butter und Salz er zu
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