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Weil Ich Euch Liebte

Weil Ich Euch Liebte

Titel: Weil Ich Euch Liebte
Autoren: Linwood Barclay
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tätschelte ihr sanft den Rücken und wiegte sie ein wenig, um sie zu beruhigen. »Es ist vorbei«, sagte ich zu ihr.
    Die Lippen an mein Ohr gepresst, sagte sie: »Er hat Emilys Mom getötet.«
    »Das stimmt«, sagte ich.
    »Und Mom?«
    »Ich weiß es nicht, mein Schatz, aber es sieht fast so aus.«
    »Hätte er mich auch getötet?«
    Ich umarmte sie fester. »Ich hätte nie zugelassen, dass er dir etwas tut«, sagte ich, ließ aber unerwähnt, dass die Sache vielleicht anders ausgegangen wäre, wenn ich nur fünf Minuten später angekommen wäre.
    In den Minuten vor Ankunft des Rettungswagens war Fiona allein mit Marcus. Einmal konnte ich von draußen sehen, wie sie auf der Kante des Couchtischs saß und nur auf ihn hinuntersah. Wahrscheinlich wartete sie darauf, dass er starb. Ich machte mir Sorgen, sie könnte etwas Unüberlegtes tun. Es war aber nicht Marcus, um den ich fürchtete, sondern sie. Eine Zeitlang konnte sie sich kaum beruhigen, sie schrie und machte sich Vorwürfe, was sie getan, was sie nicht zu verhindern gewusst hatte. Es wäre gut gewesen, wenn ich bei ihr hätte bleiben können, aber ich hatte nur eine Priorität: Kelly aus dem Haus zu bringen.
    Als die Streifenwagen einer nach dem anderen kamen, sagte ich Bescheid, dass die Frau in der Wohnung wahrscheinlich traumatisiert war – das waren wir wohl alle –, und im Nu hatten sie auch Fiona nach draußen gebracht.
    Sie wirkte beinahe katatonisch.
    Sie setzte sich auf eine kleine Bank, die sie im Vorgarten aufgestellt hatte, und saß nur da, ohne ein Wort zu sagen.
    »Fiona«, sagte ich leise. Sie schien mich nicht zu hören. »Fiona.«
    Langsam drehte sie den Kopf zu mir. Sie sah zwar in meine Richtung, ich war mir jedoch nicht sicher, ob sie mich überhaupt wahrnahm. Schließlich sagte sie: »Wie geht’s dir, Kleines?«
    Kelly schaute um meine Schulter herum zu ihr und antwortete: »Mir geht’s gut, Grandma.«
    »Das ist gut«, sagte Fiona. »Es tut mir leid, dass es diesmal bei uns nicht sehr schön für dich war.«

    Als ich meine Aussage machte, bemühte ich mich, Fiona in einem möglichst guten Licht erscheinen zu lassen.
    Marcus hatte ihre Enkelin festgehalten und gedroht, ihr das Genick zu brechen. Er hatte mehr oder weniger zugegeben, Ann Slocum umgebracht zu haben. Er hatte die Absicht gehabt, Kelly als Geisel zu nehmen und mit ihr zu flüchten. Als Kelly ihm auf den Fuß getreten war, war das Fionas Chance, ihn aufzuhalten und damit zu verhindern, dass er etwas Schlimmeres tat.
    Darüber hinaus war sie auf ihn losgegangen, weil sie glaubte, er habe ihre Tochter umgebracht.
    Meine Frau.
    Sheila.
    Er hatte es abgestritten, aber das wunderte mich nicht. Dass er Ann auf dem Gewissen hatte, hatte er ja so gut wie gestanden, aber sich vor Fiona und mir auch zum Mord an Sheila zu bekennen, das war noch einmal etwas ganz anderes. Lag ich richtig mit meiner Vermutung, er habe Sheila getötet, weil sie von seinem Verhältnis mit Ann wusste? Hatte er sie getötet, um zu verhindern, dass sie es Fiona sagte?
    Und wie hatte er Sheilas Unfall inszeniert? Wie hatte er es angestellt, sie betrunken zu machen und ihren Wagen auf der Autobahnabfahrt abzustellen?
    Ich hoffte, dass man ihn, sollte er sich erholen, so unter Druck setzen konnte, dass er alle noch offenen Fragen beantworten würde.
    Ich wusste nicht, wie ich die Vergangenheit hinter mir lassen sollte, wenn ich niemals die Wahrheit erfuhr.

Einundsechzig
    Es wäre falsch zu behaupten, unser Leben verlief wieder in seinen gewohnten Bahnen. Ich bezweifelte, ob das je wieder der Fall sein würde. Aber in den folgenden Tagen kehrte etwas wie Routine in unseren Alltag zurück.
    Die erste Nacht war allerdings weit davon entfernt.
    Nach all dem Entsetzlichen, das sie in Fionas Haus erlebt hatte, schlief Kelly sehr unruhig. Sie warf sich im Bett herum, und einmal fing sie sogar zu schreien an. Ich rannte in ihr Zimmer und setzte sie aufrecht hin. Ihre Augen waren geöffnet, und sie sah mich an, doch in ihrem Blick lag eine Leere, die ich noch nie zuvor bei ihr gesehen hatte. Sie schrie: »Nein! Nein!«, und da wurde mir klar, dass sie noch schlief. Ich rief ihren Namen, immer wieder, bis sie blinzelte und erwachte.
    Ich holte mir einen Schlafsack aus dem Keller, rollte ihn neben ihrem Bett auf dem Boden aus und verbrachte den Rest der Nacht dort. Ich legte meine Hand auf ihre Matratze, und sie hielt sie bis zum Morgen fest.
    Ich machte Eier zum Frühstück. Wir redeten über die Schule und über
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