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Weil deine Augen ihn nicht sehen

Weil deine Augen ihn nicht sehen

Titel: Weil deine Augen ihn nicht sehen
Autoren: Mary Higgins Clark
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ausklingen ließen. Den ganzen Abend über musste er daran denken, wie er Margaret und Steve zum ersten Mal gesehen hatte, dieses gut aussehende junge Paar in Abendkleidung, das nach Hause kam, um zu erfahren, dass die Zwillinge verschwunden waren. In den darauf folgenden Tagen waren sie zu Schatten ihrer selbst geworden, die sich in ihrer Verzweiflung aneinander klammerten, bleich und hager, die Augen rot gerändert und geschwollen.
    Heute strahlte Steve gelassene Zuversicht aus. Margaret, eine Augenweide in ihrem weißen Pullover und den dunklen Hosen, das Haar offen auf die Schulter fallend, ein Lächeln auf den Lippen, hatte nichts mehr gemein mit der halb wahnsinnigen Frau, die sie inständig angefleht hatte, ihr zu glauben, das Kathy noch am Leben sei.
    Dennoch war Carlson während des Essens aufgefallen, wie oft ihr Blick ins Wohnzimmer hinübergewandert war, wo die Zwillinge, schon im Schlafanzug, eine Teeparty mit ihren Puppen und Teddybären veranstalteten. Sie muss sich immer wieder vergewissern, dass sie beide noch da sind, war ihm durch den Kopf gegangen.
    Die Frawleys hatten ihn zum Abendessen eingeladen, um ihre Rückkehr ins normale Leben zu feiern, wie es Margaret
formuliert hatte. Doch wie sollte es auch anders sein – selbstverständlich kam auch die Entführung zur Sprache, und Carlson berichtete ihnen einiges darüber, was sie aus den Geständnissen von Gregg Stanford und Clint Downes erfahren hatten.
    Er hatte nicht die Absicht gehabt, über Steves Halbbruder Richard Mason zu sprechen, doch als Steve erwähnte, dass seine Eltern zu Besuch gewesen waren, erkundigte er sich nach ihnen.
    »Für meine Mutter war es ein harter Schlag, als sie erfuhr, dass Richie wieder in solchen Schwierigkeiten steckt«, sagte Steve. »Rauschgiftschmuggel ist noch schlimmer als dieser Betrug, in den er damals verwickelt war. Sie weiß, dass ihn eine hohe Gefängnistrafe erwartet, und wie alle Mütter fragt sie sich, was sie falsch gemacht hat, dass es so weit mit ihm kommen konnte.«
    »Sie hat überhaupt nichts falsch gemacht«, meinte Carlson. »Er ist ganz einfach durch und durch verdorben, das ist alles.«
    Dann trank er seine Tasse aus und sagte: »Etwas Gutes ist wenigstens bei der ganzen Sache rausgekommen: Wir wissen jetzt, dass Norman Bond seine Ex-Frau Theresa umgebracht hat. Der Ehering, den sie von ihrem zweiten Ehemann bekommen hatte, hing an einem Kettchen um seinen Hals. Sie hat ihn an dem Abend getragen, an dem sie spurlos verschwunden ist. Wenigstens hat ihr zweiter Ehemann jetzt die Chance, ein neues Leben anzufangen. Siebzehn Jahre lang hat er sich an die Hoffnung geklammert, dass sie noch am Leben sein könnte.«
    Carlson musste immer wieder zu den Zwillingen hinüberschauen. »Sie sehen sich so ähnlich; ich könnte sie nicht auseinander halten«, sagte er.
    »Ja, das stimmt«, pflichtete Margaret bei. »Letzte Woche erst war ich mit ihnen beim Frisör, um Kathy von dieser schrecklichen Haartönung zu befreien, und dabei haben wir
auch Kellys Haare schneiden lassen. Es sieht süß aus, nicht wahr?«
    Sie seufzte. »Ich stehe nachts mindestens drei Mal auf, um nachzusehen, ob sie auch da sind. Wir haben eine Top-Alarmanlage installieren lassen, die nachts sofort losgehen würde, wenn eine Tür oder ein Fenster geöffnet wird. Der Lärm würde einen Toten wieder zum Leben erwecken. Doch trotz dieser Schutzmaßnahme halte ich es nicht aus, sie für längere Zeit nicht in meiner Nähe zu wissen.«
    »Das wird sich geben«, versicherte ihr Carlson. »Vielleicht dauert es eine Weile, aber es wird bestimmt mit der Zeit besser werden. Wie geht es den Mädchen?«
    »Kathy hat immer noch Albträume. Im Schlaf sagt sie manchmal: ›Keine Mona mehr. Keine Mona mehr.‹ Neulich waren wir beim Einkaufen, und da sah sie eine dünne Frau mit langen, ungepflegten dunklen Haaren, die sie wahrscheinlich an Angie erinnert hat. Da hat Kathy angefangen zu schreien und hat sich an mein Bein geklammert. Mir hat es beinahe das Herz zerrissen. Aber Dr. Harris hat uns eine wunderbare Kinderpsychologin empfohlen, Dr. Judith Knowles. Wir werden die Zwillinge einmal in der Woche zu ihr bringen. Es wird Zeit brauchen, aber sie hat uns versichert, dass sie keinerlei bleibenden Schaden davontragen werden.«
    »Steuert Stanford einen Deal mit der Staatsanwaltschaft an?«, fragte Steve.
    »Dafür hat er nicht allzu viel in der Hand. Er hat die Entführung ausgeheckt, weil er große Angst hatte. Angst, seine Frau hätte
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