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Weihnachtskatze gesucht

Titel: Weihnachtskatze gesucht
Autoren: Andrea Schacht
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überreden lassen, die Fotos auszustellen. Wen interessierte das schon, was er sich da zurechtgeknipst hatte? Trübe nippte er an seinem Drink. Lästige Lokalreporter mit dämlichen Fragen bekam man auf den Hals geschickt. Der Kerl hatte unbedingt eine Heldenstory haben wollen. Idiot, Spatzenhirn, Milchbubi, dessen aufregendste journalistische Berichterstattung von einer vom Fahrrad gefallenen Großmutter handelte. Steve trank und gab sich selbst gegenüber zu, dass er ungerecht war. Nur weil er im Alter dieses Jungen schon durch die widerwärtigsten Krisengebiete gekraucht war, musste das nicht jeder andere auch tun. Und er würde es nun auch nie wieder tun.
    »Scheiße«, murmelte er leise und trank das Glas leer.
    Friedhofsbilder hatte er geschossen.
    Danach.
    Und Landschaftsaufnahmen.
    Wie ein Hobbyfotograf.
    |22| Er hinkte zum Tisch und goss sich noch ein Glas ein. Aber bevor er es an die Lippen setzte, fiel ihm die junge Frau wieder ein. Nettes Mädchen. Spontan, freundlich.
    Er konnte es sich leisten, großzügig zu sein, ihr das Bild gegen ein bisschen dekoriertes Wurzelwerk einzutauschen. Wenn’s ihr Freunde machte.
    Er schnaubte leise. Ob er sich die Haare färbte? Scherzkeks die. Oder sah er schon so alt aus, dass man graue Haare erwarten müsste?
    Manchmal fühlte er sich so, das stimmte wohl.
    Er warf sich wieder auf die Polster und nippte an dem Glas.
    Schrecklich, diese dunklen Tage. In den Schatten lauerten die Erinnerungen. Manchmal traten sie hervor und packten ihn mit ihren Klauen.
    Wohl nicht zu unrecht. Das war der Preis, den er zu zahlen hatte. Der Preis für die Aufregungen und die Abenteuer, von denen er einmal glaubte, ohne sie nicht leben zu können.
    Noch ein weiteres Glas, dann würde er ihnen vielleicht entkommen.
    Vielleicht.

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4. Die Augen des Weisen
    S ueSue verbrachte bereits den dritten Tag auf dem Gnadenhof und hatte alle wichtigen Ecken des Terrains erkundet. Sie war einigermaßen zufrieden mit dem, was sie vorgefunden hatte. Das Katzenrudel war friedfertig, die meisten von ihnen froh, eine warme Unterkunft gefunden zu haben und regelmäßig Futter zu bekommen. Mac stolzierte manchmal mit herrischem Gebaren durch die Scheune, aber man duldete sein Auftreten als Rudelchef eher, als dass man es respektierte. Eine weißbraune Kätzin, deren von vielen Geburten schlaffer Leib von ihren Rippen hing, war weit kratzborstiger als er und giftete jeden an, der ihrem Korb zu nahe kam. Entsprechend ihrem Naturell rief Tinka sie Ritzi, denn sie war auch unheimlich schnell mit der Kralle.
    SueSue ignorierte Ritzi. Sie wollte keinen Streit, solange es nicht notwendig war. Das Revier war wirklich groß genug, sich aus dem Weg zu gehen. In einem luftigen Stall standen einige Pferde, malmten zufrieden ihr Heu und dünsteten süßliche Wärme aus, was für eine Weile zum Schlummern einlud. Die Ziegen in dem anderen Abteil aber besuchte SueSue nicht, auch mit den beiden Zwergschweinen wünschte sie keine nähere Bekanntschaft zu schließen. Berni, der müde Schäferhund, |24| grummelte sie einmal an, als sie zu nahe an seiner Nase vorbeischlenderte. Ein kleiner Terrier kläffte hektisch, ließ sich jedoch mit einem ihrer goldblitzenden Blicke schnell zähmen. Die beiden Strauße hätte SueSue gerne näher betrachtet, aber deren Schnäbel gefielen ihr nicht besonders.
    An diesem Morgen, als es endlich hell wurde, wollte sie erstmals durch das Tor auf die Weide schlendern, um zu sehen, was sich dort noch an Getier aufhielt. Das Scheunentor war zwar geschlossen, doch eine Klappe in angenehmer Katzenhöhe lud zum Durchschlüpfen ein. Als SueSue aus der Scheune trat, musste sie allerdings erst einmal zwinkern.
    Es war weiß geworden.
    Der Boden, die Tanne, die Dächer – alles weiß. Schnee – sie erinnerte sich. Schnee hatte es im vergangenen Jahr auch gegeben. Ein kaltes Zeug, das sich in den Krallen festsetzte und irgendwann zu widerlich feuchtem Wasser wurde. Genau das war der Grund, warum sie eine Überwinterungsmöglichkeit gesucht hatte.
    Die hatte sie ja nun, und selbst wenn sie sich die Pfoten nass machte, so hatte sie doch eine schöne mollige Kiste, in der sie sich nach dem Ausflug wieder trocknen und in Ruhe putzen konnte. Also hinderte sie nichts daran, ihren Ausflug zu unternehmen.
    Sie stromerte über den Hof, hielt an der funkelnden Tanne kurz an, um den harzigen Duft einzuatmen, rieb ihr Mäulchen an der Palette mit Futterdosen, schlenderte zum Tor, markierte die Ecke
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