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Weihnachtskatze gesucht

Titel: Weihnachtskatze gesucht
Autoren: Andrea Schacht
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und schmerzliche Trauer umfing ihr Herz. Das Foto in einem grauen Holzrahmen rührte sie unbeschreiblich an. Ein steinerner Engel, gebeugt über einen bemoosten Stein, breitete schützend seine Flügel aus. Doch er wachte nicht nur über die verblichenen Gebeine vielleicht eines geliebten Kindes, sondern über eine schlafende, zusammengerollte Katze, die ihren Schwanz sorgsam über ihre Augen gedeckt hatte. Braun war das Tierchen, inmitten brauner, trockener Eichenblätter. Die Pfoten waren jedoch hell und die spitzen Ohren innen ebenfalls von hellem Flaum bedeckt. Licht und Schatten spielten auf ihrem welligen Fell.
    »SueSue«, flüsterte Salvia leise und fuhr mit dem Finger über das Glas des Bildes, als könnte sie die Katze damit spüren.
    »Eine Dame, die Ihnen bekannt ist?«, fragte eine Männerstimme neben ihr.
    »Oh!« Salvia schrak zusammen. »Verzeihen Sie, ich wollte keine Fingertatschen auf dem Bild hinterlassen.« Verschämt sah sie auf ihre schmuddeligen Finger.
    |18| »Kein Problem, es ist ja Glas darüber. Sie sind die Blumenkünstlerin?«
    Salvia fing sich und betrachtete den Mann. Verdammt, das war der Fotograf selbst. Groß, wettergegerbtes Gesicht, ungekämmte, lockige Haare, die nach einem Friseur schrien, dicker Pullover, Jeans, Stock.
    »Künstlerin?«, murmelte sie. »Im Vergleich zu Ihnen eher Handwerkerin.« Sie sah zu ihrem Gesteck hin, und mit einem Anflug von Selbstironie ergänzte sie: »Aber wenigstens nadelt es nicht.«
    Der Fotograf nickte und meinte trocken: »Wie meine Bilder.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Die nadeln auch nicht. Möglicherweise werde ich den Galeristen wechseln müssen. Er scheint das Wesentliche nicht ganz zu verstehen.«
    Salvia entfuhr ein kleines Schnauben.
    »Nettes Kompliment, Herr Novell.«
    »Steve, sonst fange ich an, mich ernst zu nehmen.«
    »Eigenartige Einstellung. Aber wenn Sie möchten. Ich bin Salvia.«
    »Gut zu Gänsebraten.«
    »Und in Saltimbocca. Ein Kenner der Botanik?«
    »Der Küche und ihrer Kräuter. Aber für eine Floralkünstlerin ist Salbei auch nicht der schlechteste Name. Warum haben Sie dieses Bild so traurig angesehen? Zeigt es das Grab einer Verwandten?«
    Wieder huschte Salvias Blick zu der schlummernden Katze.
    |19| »Verwandt waren wir nicht, SueSue und ich. Aber gestorben ist sie.«
    »Ihre Katze?«
    »Zumindest eine, die ihr sehr ähnlich sieht. Wenn es nicht völlig unerschwinglich ist, würde ich das Bild bitte gerne kaufen.«
    »Es ist erschwinglich. Es kostet sie ein solches Arrangement.«
    Der Fotograf zeigte auf das Gesteck.
    »O nein, das kann ich nicht annehmen.«
    » Ich
kann es annehmen. Ich halte es für ein faires Tauschgeschäft.«
    Sehnsüchtig blickte Salvia auf das schlummernde Kätzchen.
    »Ich hätte mir ja eine andere holen können«, murmelte sie.
    »Kann man Lebewesen ersetzen?«
    »Nein, nicht?«
    Mit großem Interesse sah sie dem Fotografen ins Gesicht. Es war nicht schön, genaugenommen musste man es für verwittert halten.
    Wie diese alten Steine. Wie alt er war, ließ sich daraus kaum ablesen, aber seine Haare waren dunkel und ohne graue Fädchen.
    »Lassen Sie sich die Haare färben?«, entfuhr es Salvia, und entsetzt von ihren eigenen Worten schlug sie sich die Hand vor den Mund.
    Steve sah sie kurz verblüfft an und brachte ein trockenes Schnauben hervor.
    |20| »Sehe ich so aus? Kräuterweibchen, ich geh noch nicht mal zum Friseur.«
    »Ja, äh – das sieht man.«
    Aber die Röte schoss Salvia dennoch in die Wangen.
    »Sie sind niedlich!«
    »Nein, bin ich nicht.«
    »Nicht. Gut.«
    Bevor Salvia ihrer Belustigung nachgeben und eine weitere Stellungnahme zum Thema Kräuterweibchen abgeben konnte, trat der Redakteur der örtlichen Zeitung auf Steve Novell zu und verlangte die ungeteilte Aufmerksamkeit des Künstlers. Salvia machte, dass sie aus der Schusslinie des Pressefotografen kam. Weder ihre Kleidung noch ihre sonstige Aufmachung wünschte sie in welcherart Veröffentlichung auch immer wiederzufinden.
    Nur einmal noch schenkte sie dem Bild mit dem katzenschlafbehütenden Engel einen Blick, dann verließ sie eiligst die Galerie.

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    |21|
3. Whiskey am Abend
    S teve goss sich ein Glas Whiskey ein und setzte sich damit auf das Sofa. Licht fiel von der Straßenlaterne in das Wohnzimmer, er hatte keine Lust, die Lampen anzumachen. Er wollte in der Dunkelheit sitzen und sich betrinken. Zumindest soweit, dass er ohne Probleme einschlafen konnte. Was für ein Schwachsinn, dass er sich hatte
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