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Weihnachten mit Maigret

Weihnachten mit Maigret

Titel: Weihnachten mit Maigret
Autoren: Georges Simenon
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Monaten ist er wieder zurückgekommen?«
    »Ungefähr. Er war am Ende.«
    »Haben Sie ihm kein Geld geschickt?«
    »Sehr wenig.«
    »Warum?«
    Sie antwortete nicht, sondern schaute auf die Uhr.
    »Werden Sie mich festnehmen? Wie lautet die Anklage? Ich habe nichts gemacht. Ich habe Boissy nicht getötet. Ich war nicht da, als er starb. Ich habe nicht geholfen, seine Leiche zu verstecken.«
    »Machen Sie sich über Ihr Schicksal keine Sorgen! Sie haben das Geld behalten, weil Sie Ihr ganzes Leben lang etwas besitzen wollten, nicht um es auszugeben, sondern um sich reich zu fühlen, vor Armut geschützt.«
    »Das ist meine Sache.«
    »Als Lorilleux zu Ihnen kam und Sie bat, ihm zu helfen, oder Ihr Versprechen, mit ihm zu fliehen, zu halten, haben Sie Colettes Unfall als Vorwand benutzt, nicht an das Versteck herankommen zu können. Ist das richtig? Sie haben versucht, ihn wieder dazu zu bewegen, ins Ausland zu gehen.«
    »Er hat sich in Paris versteckt.«
    Ihre Lippen verzogen sich zu einem seltsamen, unfreiwilligen Lächeln, und sie konnte es nicht unterlassen zu murmeln:
    »Dieser Dummkopf! Er hätte jedem seinen Namen sagen können, ohne Angst haben zu müssen!«
    »Nichtsdestoweniger hatte er die Idee mit dem Weihnachtsmann.«
    »Nur, dass das Geld nicht mehr unter dem Fußboden war. Es war hier, vor seiner Nase, in meinem Nähkasten. Er hätte nur den Deckel hochheben müssen.«
    »In zehn oder fünfzehn Minuten wird Ihr Mann hier sein, und Lorilleux, der sich gegenüber aufhält, weiß das wahrscheinlich, da er sich erkundigt hat; er weiß, dass Martin in Bergerac war, und er wird wohl den Fahrplan studiert haben. Sicherlich ist er damit beschäftigt, sich Mut zu machen. Es würde mich wundern, wenn er nicht bewaffnet wäre. Möchten Sie auf die beiden warten?«
    »Nehmen Sie mich mit! Ich brauche mir nur ein Kleid überzuziehen...«
    »Und der Gepäckaufbewahrungsschein?«
    »Postlagernd am Boulevard Beaumarchais.«
    Sie ging ins Schlafzimmer, ließ die Tür offen und zog ohne die geringste Scham ihren Morgenrock aus, setzte sich auf die Bettkante, zog die Strümpfe an und nahm ein Wollkleid aus dem Schrank.
    Zuletzt nahm sie eine Reisetasche und stopfte ungeordnet einige Toilettensachen und Wäsche hinein.
    »Gehen wir schnell!«
    »Und Ihr Mann?«
    »Der Dummkopf ist mir sch... egal.«
    »Und was ist mit Colette?«
    Sie antwortete nicht, zuckte nur mit den Achseln. Die Tür von Mademoiselle Doncœur bewegte sich, als sie vorbeigingen. Als sie unten waren und auf den Bürgersteig hinaustreten wollten, bekam sie Angst, drängte sich zwischen die beiden Männer und blickte forschend in den Nebel.
    »Fahr sie zum Quai des Orfevres, Lucas. Ich bleibe hier.«
    Es war weit und breit kein Taxi zu sehen, und man merkte, dass der Gedanke, nur von dem kleinen Lucas begleitet durch die Dunkelheit zu gehen, sie erschreckte.
    »Haben Sie keine Angst! Lorilleux ist gar nicht hier in der Nähe.« »Sie haben gelogen!!!...«
    Maigret ging in das Haus zurück.
    Die Unterhaltung mit Jean Martin dauerte zwei lange Stunden, und die meiste Zeit war sein Bruder dabei.
    Als Maigret gegen halb zwei morgens das Haus verließ, blieben die beiden Männer zusammen in der Wohnung. Unter der Tür von Mademoiselle Doncœur schien Licht hindurch; sie wagte es aber nicht, wahrscheinlich aus Verlegenheit, die Tür zu öffnen, sondern begnügte sich damit, den Schritten des Kommissars zu lauschen.
    Er überquerte den Boulevard und ging in seine Wohnung, wo er seine Frau antraf, die in einem Sessel neben dem Esszimmertisch, auf dem sein Gedeck stand, eingeschlafen war. Erschreckt sprang sie auf.
    »Bist du allein?«
    Und als er sie erstaunt und belustigt ansah:
    »Hast du die Kleine nicht mitgebracht?«
    »Nicht heute Nacht. Sie schläft. Morgen früh kannst du sie herholen, nur wirst du sehr nett zu Mademoiselle Doncœur sein müssen.«
    »Wirklich?«
    »Ich werde dir zwei Krankenschwestern mit einer Bahre schicken lassen.«
    »Aber dann... Werden wir... ?«
    »Nicht doch!... Nicht für immer, verstehst du? Es kann sein, dass Jean Martin darüber hinwegkommt ... Es kann auch sein, dass sein Bruder wieder ein gesunder Mensch wird und eines Tages wieder heiratet...«
    »Sie wird uns also nicht gehören?«
    »Uns nicht, nein. Nur leihweise. Ich dachte mir, das sei besser als nichts und du würdest dich darüber freuen.«
    »Natürlich freue ich mich darüber... Aber... aber...«
    Sie verzog den Mund, suchte ein Taschentuch, fand keines und verbarg
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