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Weiberregiment

Weiberregiment

Titel: Weiberregiment
Autoren: Terry Pratchett
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mangelte es nicht an Witwen, und Eva Klimm war
    eine warmherzige Frau, die meisterhaft zu backen verstand. Die lange
    Krankheit seiner Angetrauten und Pauls lange Abwesenheit hatten
    Pol ys Vater sehr zugesetzt. Die alten Frauen, die ihre Tage damit
    verbrachten, aus den Fenstern zu schauen und al es zu beobachten,
    spionierten, ärgerten sich und tuschelten. Aber das machten sie schon
    zu lange; niemand hörte mehr auf sie.
    Pol y hob den Blick. Rauch und Dampf stiegen bereits von der
    Wäscherei der Mädchenschule auf. Wie eine Drohung ragte die Schule
    am einen Ende des Ortes auf, groß und grau, mit hohen, schmalen
    Fenstern. Immer herrschte dort Stille. Als Polly klein gewesen war,
    hatte man ihr erzählt, dass die »bösen Mädchen« dorthin kamen. Die
    Art des »Bösen« wurde nicht erklärt, und im Alter von fünf Jahren
    gewann Pol y die vage Vorstel ung, »böse« bedeutete, nicht ins Bett zu
    gehen, wenn man dazu aufgefordert wurde. Als Achtjährige lernte sie,
    dass dies der Ort war, wo man, wenn man Glück hatte, nicht hin
    musste, wenn man einen Malkasten für den Bruder kaufte. Sie drehte
    sich um und wanderte zwischen den Bäumen, in denen Vögel
    zwitscherten.
    Vergiss, dass du jemals Polly gewesen bist. Denk wie ein junger Mann, darauf kam es an. Wenn du furzt, dann tu dies laut und vol er
    Zufriedenheit darüber, wie gut es dir gelungen ist. Beweg dich wie eine
    Marionette, bei der einige Fäden durchgeschnitten sind. Umarme nie
    jemanden. Und wenn du einen Freund triffst, so knuff ihn. Einige Jahre
    Arbeit im Wirtshaus hatten viel Anschauungsmaterial geliefert.
    Zumindest war es kein Problem, nicht die Hüften zu schwingen. Auch
    dabei hatte die Natur gespart.
    Und dann galt es noch, die Gangart eines jungen Mannes
    nachzuahmen. Frauen schwangen wenigstens nur ihre Hüften. Junge
    Männer schwangen alles, von den Schultern abwärts. Man muss
    versuchen, möglichst viel Platz einzunehmen, dachte Pol y. Dann sieht
    man größer aus, wie ein Kater mit aufgebauschtem Schwanz. Sie hatte
    es im Wirtshaus oft gesehen. Die Jungen versuchten, groß zu gehen, es
    war Selbstverteidigung gegen die anderen großen Jungs dort draußen.
    Ich bin böse, ich bin grimmig, ich bin cool, ich möchte ein Glas Bier
    mit Limonade, und meine Mutter will, dass ich um neun zu Hause
    bin…
    Mal sehen … Die Arme so vom Körper gestreckt, als trügen sie
    Mehlsäcke … okay. Die Schultern so bewegen, als bahnte sie sich einen
    Weg durch eine Menschenmenge … okay. Mit den gewölbten Händen
    rhythmische Bewegungen machen, als drehten sie zwei unabhängige
    Griffe an der Taille … okay. Die Beine locker und krumm, wie die
    eines Affen … okay…
    Es funktionierte einige Meter weit, bis Pol y durcheinander kam, und
    die daraus resultierende muskuläre Verwirrung warf sie in ein Gebüsch.
    Danach gab sie es auf.
    Das Unwetter kehrte zurück, als sie über den Weg eilte; manchmal
    hing eins tagelang in den Bergen. Aber hier oben war der Pfad
    wenigstens kein Schlammbach, und die Bäume hatten noch genug
    Blätter, um Pol y ein wenig Schutz zu bieten. Sie hatte nicht die Zeit,
    besseres Wetter abzuwarten. Ein langer Weg lag vor ihr. Der
    Rekrutierungskarren würde den Fluss mit der Fähre überqueren, aber
    die Fährmänner kannten Pol y, und der Wächter würde die
    Reiseerlaubnis sehen wol en, die Oliver Perks natürlich nicht hatte. Das
    bedeutete einen weiten Umweg zur Trol brücke bei Tübz. Für Trol e
    sahen Menschen al e gleich aus, und jedes Stück Papier genügte als
    Erlaubnisschein, da sie nicht lesen konnten. Anschließend wollte Polly
    durch den Kiefernwald nach Plün wandern. Der Karren musste dort
    für die Nacht anhalten, doch der Ort war eins jener abgelegenen
    Nester, die nur existierten, damit Landkarten die Verlegenheit zu vieler
    leerer Stellen erspart blieb. Niemand kannte sie in Plün. Niemand kam
    je dorthin. Es war ein elendes Kaff.
    Der ideale Ort für Pol y. Die Rekrutierungsgruppe würde dort
    übernachten, und das gab ihr Gelegenheit, sich anwerben zu lassen. Der
    große dicke Feldwebel und sein schmieriger kleiner Korporal würden
    bestimmt nicht das Mädchen wiedererkennen, das sie am vergangenen
    Abend bedient hatte. Pol y war keine konventionel e Schönheit. Der
    Korporal hatte versucht, sie in den Po zu zwicken, aber wahrscheinlich aus reiner Angewohnheit, so wie man nach einer Fliege schlug, und es
    gab auch gar nicht viel, in das man zwicken konnte.
    Auf dem Hügel über der Fähre nahm
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