Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weiberregiment

Weiberregiment

Titel: Weiberregiment
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
Mumm. »Sie erkennen Probleme, wenn
    sie welche sehen.« Er nahm das »Euer Gnaden« diesmal hin, denn es
    schien Kinn eine gewisse Genugtuung zu verschaffen, mit einem
    Herzog zu sprechen.
    Er blätterte im Buch und verharrte an einer anderen Stelle. » Die Farbe
    Blau ?«
    »Ja, Herr.«
    »Was ist an der Farbe Blau abscheulich? Es ist doch nur eine Farbe.
    Der Himmel ist blau!«
    »Ja, Herr. Fromme Nugganiten versuchen heutzutage, nicht zu ihm
    aufzusehen. Ah…« Kinn hatte eine diplomatische Ausbildung hinter
    sich. Es widerstrebte ihm, gewisse Dinge direkt auszusprechen.
    »Nuggan ist… äh… ein wenig gereizt«, brachte er hervor.
    »Gereizt?«, wiederholte Mumm. »Ein gereizter Gott? Ärgert er sich
    vielleicht über das Geschrei der Kinder seiner Gläubigen? Hat er was
    gegen Musik nach neun Uhr abends?«
    »Äh… wir bekommen hier die Ankh-Morpork Times etwas verspätet,
    und ich würde sagen, Nuggan hat große Ähnlichkeit mit den Leuten,
    die Leserbriefe schreiben. Du weißt schon, Herr. Ich meine die Leute,
    die ihre Leserbriefe mit ›Von Ankh-Morpork angeekelt‹ unterzeichnen.«
    »Oh, du meinst, er hat tatsächlich den Verstand verloren«, sagte
    Mumm.
    »Es käme mir nie in den Sinn, so etwas zu meinen, Herr«, versicherte
    Kinn hastig.
    »Was unternehmen die Priester in dieser Hinsicht?«
    »Nicht viel, Herr. Ich glaube, insgeheim ignorieren sie einige der, äh,
    extremen Abscheulichkeiten.«
    »Meinst du, abgesehen von Nuggans Abneigung gegenüber Zwergen,
    Katzen und der Farbe Blau gibt es noch verrücktere Gebote?«
    Kinn hüstelte höflich.
    »Na schön«, sagte Mumm. » Extremere Gebote?«
    »Austern, Herr. Er mag sie nicht. Aber das ist kein Problem, weil hier
    noch nie jemand eine Auster gesehen hat. Oh, und Babys. Er hat sie
    ebenfal s zu Abscheulichkeiten erklärt.«
    »Ich schätze, die Leute hier machen trotzdem welche.«
    »Ja, Euer Gna… Entschuldigung. Ja, Herr. Aber sie fühlen sich
    deshalb schuldig. Bel ende Hunde sind eine weitere Abscheulichkeit.
    Und Hemden mit sechs Knöpfen. Und Käse. Äh… die Leute meiden die
    komplizierteren Abscheulichkeiten. Selbst die Priester haben es
    aufgegeben, sie zu erklären.«
    »Ja, ich glaube, ich verstehe den Grund dafür. Wir haben hier also ein
    Land, das versucht, die Gebote eines Gottes zu achten, der, wie
    manche vermuten, viel eicht seine Unterhose auf dem Kopf trägt. Hat
    Nuggan auch Unterhosen zu Abscheulichkeiten erklärt?«
    »Nein, Herr. Aber es ist wohl nur eine Frage der Zeit.«
    »Wie kommen die Borograwier zurecht?«
    »Heutzutage beten die meisten zur Herzogin Annagowia. Bilder von
    ihr hängen in jedem Haus. Die Leute nennen sie ihre ›kleine Mutter‹.«
    »Ah, ja, die Herzogin. Bekomme ich Gelegenheit, mit ihr zu
    sprechen?«
    »Oh, sie empfängt niemanden. Abgesehen von einigen Bediensteten
    hat sie seit mehr als dreißig Jahren niemand gesehen. Um ehrlich zu
    sein, Herr: Sie ist wahrscheinlich längst tot.«
    »Nur wahrscheinlich?«
    »Niemand weiß es genau. Offiziell heißt es, dass sie trauert. Eine
    tragische Angelegenheit, Herr. Der junge Herzog starb eine Woche
    nach der Hochzeit. Während der Jagd wurde er von einem Wildschwein
    zerfleischt, soweit ich weiß. Sie begann mit der Trauer im alten Schloss
    von Prinz-Marmaduk-und-Pjotr-Albert-Hans-Josef-Bernhardt-
    Wilhelmsberg, und seit damals ist sie nie wieder in der Öffentlichkeit
    erschienen. Ich glaube, das offizielle Gemälde entstand, als sie etwa
    vierzig war.«
    »Keine Kinder?«
    »Nein, Herr. Mit ihrem Tod stirbt das Geschlecht aus.«
    »Und die Leute beten zu ihr? Wie zu einem Gott?«
    Kinn seufzte. »Ich habe in meinem Bericht darauf hingewiesen, Herr.
    Die herzogliche Familie in Borograwien hatte immer einen fast
    religiösen Status. Sie ist das Oberhaupt der Kirche, und die Leute beten
    zu ihr in der Hoffnung, dass sie bei Nuggan ein gutes Wort für sie
    einlegt. Die Familienmitglieder sind wie… lebende Heilige. Himmlische
    Vermittler. So läuft das eben in diesen Ländern. Wenn man irgendetwas
    erreichen möchte, muss man die richtigen Leute kennen. Und
    vermutlich kann man leichter zu einem Bild beten als zu einem Gott,
    den man nicht sieht.«
    Mumm musterte den Konsul nachdenklich und jagte ihm mit der
    nächsten Frage einen gehörigen Schreck ein.
    »Wer würde erben?«
    »Herr?«
    »Die Monarchie geht doch irgendwie weiter, Kinn. Wenn die
    Herzogin nicht auf dem Thron sitzt – wer sollte dort Platz nehmen?«
    »Äh, die Sache ist
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher