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Wehe wenn der Wind weht

Wehe wenn der Wind weht

Titel: Wehe wenn der Wind weht
Autoren: John Saul
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hinderte, fortzulaufen. Sie lebten in der alten Hütte beim Bergwerk, und Esperanza versuchte, auf die Kinder aufzupassen, die sich gern zum Berg hochschlichen, um zwischen den rostenden Bergbaumaschinen zu spielen, die, obwohl längst von Unkraut überwuchert, noch immer über den Berghang verstreut standen.
    Die Stempelpresse stand noch immer da, ein Relikt aus einer Zeit, als Amos Amber kurz auf eine Goldader gestoßen war und sofort die gesamte Ausrüstung beschafft hatte, die er brauchen würde, um sie abzubauen. Die Presse und die Dampfmaschine, mit der sie betrieben wurde, waren kaum benutzt worden, da gab die Goldader nichts mehr her, und die Bergarbeiter hatten sich wieder an ihre alte Arbeit gemacht, und eine Ladung Kohle nach der anderen aus dem Berg geschleppt.
    Wundersamerweise war das Bergwerk während der Überflutung 1910 nicht eingestürzt. Amos Amber hatte immer darauf bestanden, daß es regelmäßig mit starken Streben verstärkt wurde, und obwohl Amos gestorben war, hatten die Streben gehalten. Hier und da jedoch begann jetzt das Gewirr von Stollen nachzugeben, und es gab da deutliche Anzeichen für den Beginn des Einsturzes, wo die sich ständig verändernden Temperaturen, das Gefrieren und Schmelzen von Eis, und Bäume und Tiere die Erde gelockert hatten. Einsturztrichter waren dort bereits zu sehen.
    Esperanza, die stets über den Berghang wanderte, kannte diese Stellen gut und sie beobachtete sie aufmerksam.
    Erst vor einer Woche hatte sie eine neue Doline gar nicht weit von der Höhle entdeckt.
    Sie war sicher, daß Los Ninos sich rührten.
    Und jetzt war Senor Lyons im Bergwerk gestorben.
    Esperanza, die die Weisheit ihrer Ahnen hatte, war sicher, daß die Kinder ihn geötet hatten.
    Sie ging in die Hütte und fand Juan auf dem Boden liegend, sein Kinn in die Hände gestützt in eines seiner Comicmagazine schauend.
    »Juan?«
    Er grinste zu seiner Mutter hoch. »Hi!«
    Esperanza setzte sich neben Juan auf den Boden und zog den Rock dicht an sich, um sich vor dem Zug zu schützen, der durch die losen Dielen nach oben drang. Behutsam nahm sie Juan das Comicheft aus den Händen und drehte sein Gesicht so, daß sie ihm in die Augen sehen konnte.
    »Juan, haben die Kinder heute geweint?«
    Juans Augen blickten verwirrt und dann schüttelte er seinen Kopf. »Nein, Mama. Ich habe heute keines der Kinder gesehen.«
    »Nicht die Kinder, die du sehen kannst, Juan«, sagte Esperanza. »Die anderen. Die, die man nicht sehen kann.«
    Juan runzelte die Stirn und stand auf. »Soll ich lauschen gehen?« fragte er.
    Esperanza lächelte ihren Sohn an und ergriff seine Hand.
    »Wir beide«, sagte sie auf spanisch. »Wir beide gehen lauschen.«
    Gemeinsam gingen Esperanza und Juan in den Abend hinaus, aber in dieser Nacht hüllte der Mond das Tal in silbernen Schein und von den Bergen fächelte nur eine sanfte Brise, welche die Espen murmeln ließ.
    Die Kinder schwiegen.
     
    Diana Amber ließ Christie auf dem Sofa schlafen, bis die Sonne ganz untergegangen war. Sie wanderte unten durch die Räume und schaltete die Lichter ein, bis das ganze Haus erleuchtet war. Erst dann kehrte sie ins Wohnzimmer zurück und ließ sich neben dem Sofa auf die Knie nieder.
    »Christie?« sagte sie sanft. Die Augenlider des kleinen Mädchens zitterten, öffneten sich dann. Zuerst sah Diana nur Leere in den Augen des Kindes, aber dann füllten sie sich langsam mit einer Melancholie, die Diana fast das Herz zerriß.
    »Papi«, flüsterte Christie. »Bitte - ich will meinen Papi.«
    »Er ist fort«, sagte Diana zu ihr. »Versuch nicht daran zu denken, Süße. Ja?«
    Lange Zeit lag Christie ganz still, ihre Augen auf Dianas Gesicht gerichtet, und dann füllte eine einzige Träne ihr linkes Auge, floß über und rann über ihre Wange. Sie versuchte nicht, sie fortzuwischen, und als Diana die Hand ausstreckte, um ihr Gesicht zu berühren, wich sie zurück.
    Dianas Hand schwebte einen Augenblick lang in der Luft und die Zärtlichkeit ihrer Augen verschwand plötzlich, und wich einem ärgerlichen Funkeln. Dann gewann sie ihre Selbstbeherrschung wieder, ließ ihre Hand sinken und lächelte. »Möchtest du etwas essen?«
    Christie schüttelte kaum merklich ihren Kopf, richtete sich auf und blickte sich in dem Zimmer um, als sähe sie es zum ersten Mal.
    »Hier drin ist alles alt«, sagte sie mit erstaunter Stimme. Ihre Augen wanderten von dem kristallenen Kronleuchter, der von der Zimmerdecke hing, zu dem mit Schnitzereien verzierten
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