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Wehe wenn der Wind weht

Wehe wenn der Wind weht

Titel: Wehe wenn der Wind weht
Autoren: John Saul
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Kaminsims aus Rosenholz, der eine der Wände beherrschte. Sie strich mit der Hand über die Roßhaarpolsterung des viktorianischen Sofas. »Das fühlt sich komisch an.«
    »Als ich ein kleines Mädchen war«, sagte Diana, »bin ich da runtergerutscht. Und ich dachte, es sei weich«, fügte sie hinzu, wobei sie ihre Stimme verschwörerisch senkte. Christie stieß gegen das Sofa und nickte dann.
    »Das ist es.«
    »Möchtest du den Rest des Hauses sehen?«
    Christie zögerte, nickte dann stumm und stand auf. Diana erhob sich, war unsicher, wo sie anfangen sollte. Schließlich führte sie Christie in den Salon, in dem ein weiterer Kamin war, zwei Sessel und ein altmodisches Piano standen. »So ein Piano habe ich noch nie gesehen«, sagte Christie. Sie streckte die Hand aus und drückte eine Taste. Ein metallischer Ton kam aus dem alten Instrument.
    »Das ist ein Bosendorfer«, erklärte Diana. »Einer meiner Vorfahren hat es aus Boston mitgebracht. Kannst du darauf spielen?«
    »Ein wenig«, erwiderte Christie. »Ich hatte Unterricht, bevor wir hierher kamen.«
    »Na gut, vielleicht kann ich dir mehr beibringen«, sagte Diana. »Hat dir der Unterricht Spaß gemacht?«
    »Das war sehr lustig. Aber ich bin nicht sehr gut.«
    »Ich auch nicht«, gab Diana zu. »Vielleicht können wir zusammen üben.«
    »Wer hat dir Unterricht gegeben?«
    »Meine Mutter«, sagte Diana. Sie verfiel für einen Augenblick in Schweigen. »Aber das war nicht sehr lustig«, fügte sie hinzu.
    Christie schaute sie neugierig an. »Warum nicht?«
    Diana zögerte und beschloß dann, das Thema zu wechseln. Sie hatte im Salon plötzlich eine Vision gehabt, eine Vision ihrer selbst als kleines Mädchen, das auf der harten Klavierbank saß. Und neben ihr stand ihre Mutter, die den Rhythmus mit dem Krückstock schlug, den sie damals bereits brauchte, und verlangte, daß Diana die Noten exakt spielte, die kleinsten Fehler kritisierte, und ihre täglichen Übungsstunden immer weiter ausdehnte. Sie hatte das Klavier gehaßt und seit dreißig Jahren nicht gespielt. Aber jetzt könnte sie es wieder versuchen. Im nachhinein betrachtet war die Ausbildung gut für sie gewesen, und es könnte auch für Christie gut sein. Und es könnte sogar wirklich Spaß machen. Aber es gab keinen Grund, Christie zu erzählen, wie es für sie gewesen war. Überhaupt keinen Grund.
    Sie gingen durch die Räume des Erdgeschosses und Diana sah ihr Heim zum ersten Mal seit Jahren mit den Augen eines Kindes. Sie hatte die Bücher, welche die Wände der Bibliothek säumten, immer als gegeben hingenommen, doch als Christie sie anstarrte, dann ihre Finger über die ledergebundenen Bände gleiten ließ, spürte Diana den Wunsch, sie ebenfalls zu berühren.
    Als Kind war ihr nie erlaubt worden, die Bibliothek zu betreten. Sie hatte ihrem Vater gehört, und obwohl sie ihren Vater nie kennengelernt hatte, hatte sie sehr früh gelernt, seinen Besitz zu respektieren. Sogar jetzt, als Christie einen der Bände aus den Regalen nahm und ihn öffnete, spürte sie den Zwang, das Buch aus den Händen des Kindes zu nehmen und es ins Regal zurückzustellen. Aber es war schließlich nur ein Buch, und ihr Vater war seit einem halben Jahrhundert tot.
    »Liest du gerne?« fragte sie.
    Christie nickte, während sie in den Seiten blätterte. Es war eine Ausgabe der gebundenen Exemplare des St. Nicholas -Magazins, voller Geschichten und Zeichnungen, die ihr sehr gefielen. »Hast du darin gelesen, als du klein warst?«
    »O nein«, erklärte Diana. »Ich hatte meine eigenen Bücher, oben in meiner Kinderstube.«
    Christie neigte ihren Kopf und blickte zu Diana auf. »Du hattest eine Kinderstube?«
    Wieder wanderten Dianas Gedanken in die Vergangenheit. »Viele Jahre lang.«
    »Kann ich sie sehen?« fragte Christie.
    Diana fühlte, wie ihr Magen sich zusammenkrampfte und ein Klingeln war in ihren Ohren. Warum hatte sie die Kinderstube erwähnt? Sie war selbst dort nicht seit - seit wann gewesen? Sie konnte sich nicht einmal daran erinnern, so lange war das her. Es mußte mindestens dreißig Jahre her sein.
    Ja, so lange war das her.
    Sie war zwanzig gewesen, und sie war krank. Sie erinnerte sich nur undeutlich an ihre Krankheit. Sie hatte Monate gedauert, und eine Weile hatte sie geglaubt, sie müsse sterben. Und dann, eines Morgens, erwachte sie und sie war nicht mehr in der Kinderstube.
    Statt dessen lag sie in einem Zimmer in der ersten Etage - dem »Gästezimmer«, obwohl sie sich nicht daran erinnern
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